Nah

Publiziert in 18 / 2024 - Erschienen am 8. Oktober 2024

Der eine sitzt vor dem Fernseher und fühlt sich bestätigt: „Endlich hat Israel im Libanon zugeschlagen.“ Der andere ist enttäuscht, dass der Iran nicht noch mehr Raketen abgeschossen hat. Der eine glaubt, dass dieser Krieg und jener in der Ukraine sofort aufhört, wenn in den USA wieder Trump ans Ruder kommt, während für den anderen Putin an allem schuld ist. Dass er falsch liegen könnte, glaubt keiner. Alle meinen, die Lage richtig einzuschätzen. Schließlich war ja im Fernsehen zu sehen und in Zeitungen zu lesen, was dieser oder jener gesagt oder getan hat. Zusätzlich bestätigt fühlen sich viele Medien-Konsumenten, wenn ihre Ansichten von „Experten“ und „Kennern“ oder Politikern und Meinungsmachern geteilt werden. Alle glauben, die Wahrheit für sich gepachtet zu haben. Zur Kriegsführung gehört seit jeher auch die Steuerung der jeweils eigenen Wahrheit. Schon 1914 sagte der US-Senator Hiram Johnson, dass die Wahrheit das erste Opfer des Krieges ist. Die Methoden und Techniken, die eigene Wahrheit zu fabrizieren und zu verbreiten, haben sich seither stark geändert. Denken wir nur an die Künstliche Intelligenz. Die Kriegsparteien legen sich mit immer raffinierteren Methoden ihre Wahrheiten zurecht. Regierungen plappern sie nach, regierungsnahe Medien auch. Was die Kriege und Konflikte in Israel, Palästina und in Nachbarstaaten betrifft, so dürfte für uns Europäer zumindest eines wahr sein: Dieser Teil des Ostens ist nah.

Josef Laner

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