Zum Tod von Benny von Spinn

Publiziert in 37 / 2019 - Erschienen am 29. Oktober 2019

Vinschgau - Benny ist tot. Der dumpfe Schlag nimmt den Atem. Die Farbe weicht aus den Dingen. Stillstand. Erschöpfung. Leere. Benny war ein Träumer, in einer Gesellschaft, in der dies als Schimpfwort gilt: „Du Träumer! - Du träumst doch! - Träum weiter!“ In harter und ausdauernder Arbeit verwandelte er seinen Bunker, der einst zu Mussolinis kriegerischer „Linea non mi fido“ gehörte, in einen Ort der Gastfreundschaft, der Kreativität, des poetischen Spiels. Den betonblanken Schädel dieses vormals düsteren Zerrbilds militärischer Männer-Phantasien umfasste er mit einer hölzernen Zaun-Krone und verlieh ihm so tänzerische Leichtigkeit: Ihre Form folgt der Soundwave von John Lennons musikalischer Liebeserklärung an das Leben: „Give Peace a Chance“.
Überhaupt die Musik. Vielleicht war sie seine wirkliche Heimat. Ich besuchte Benny immer wieder gern mit meinen Matura-Klassen. Meine Schüler/innen sollten einen Eindruck davon gewinnen, welch unterschiedliche Lebensentwürfe es gibt, welche Freiheiten das Leben eröffnet, wenn man bereit ist, auch den Preis dafür zu bezahlen, den eigenen, vielleicht riskanteren Weg abseits ausgetretener Pfade gehen zu können.
Benny war ein wunderbarer Gastgeber. Die Schüler/innen spürten seine Liebe für die Menschen und die reichte bis ins kleinste mit unerschöpflicher Gestaltungsfreude konzipierte Detail seines Bunkers Susa 23.
Ein zufriedenes Lächeln blitzte in seinem Gesicht auf, wenn er, der DJ aus unseren Jugendjahren sah, wie die Schüler/innen es genossen, dass die wummernden Bässe den Bunker zu einer großen Sound-Machine machten. 
Bennys Bunker war eine Plattform für alles Denkbare, eine Startrampe für Außer-Ordentliches, seine schiere Existenz wirkte heilsam und bestärkend in einer Landschaft ringsum, der - Betonsäule nach Betonsäule - alle guten Geister ausgetrieben werden.
Jetzt … lastet bleierne Traurigkeit auf dem verwaist zurückgelassenen Gemäuer. „Wer ein Leben rettet, rettet eine ganze Welt“, weiß ein jüdisches Sprichwort. Gleichwohl gilt, das müssen wir jetzt erneut erfahren: Geht ein Leben verloren, geht eine ganze Welt verloren. Klanglos verhallen unsere Fragen: Wie konnte das passieren? Warum ist es passiert? Was hätten wir tun können, um es zu verhindern?
(…)
Was können wir jetzt tun, künftig tun, um „es“ zu verhindern?
Wir müssen wieder in Bewegung kommen. Einen Fuß vor den andern setzen. Schritt für Schritt, aufeinander zu. Wir müssen lernen, unverstellt miteinander zu reden. Wahrhaftig sein, versuchen, in jedem Augenblick ganz da zu sein. Uns in unserer Gesamtheit mitteilen. Uns ohne Furcht auch unseren Schmerz zeigen. Keine Angst haben, um Hilfe zu bitten, wenn wir Hilfe brauchen. Keine Scheu haben, Hilfe anzubieten. Uns aneinander wärmen. Weiter träumen. 
Träum weiter, Benny!

Redaktion

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