„Zu Gast bei Pionieren“
Wer sich austauscht, hat mehr Erfolg
Prad/Matsch/Glurns - Wie arbeiten Südtirols Köche und Bauern am besten zusammen, um heimische Lebensmittel auf den Teller des Gastes zu bringen? Diese Frage steht im Mittelpunkt der neuen Eventreihe „Zu Gast bei Pionieren“, die vom SBB, dem HGV und IDM Südtirol sowie von Unternehmer/innen aus Tourismus und Landwirtschaft ausgearbeitet wurde. Ziel der Events ist es, dass sich die Teilnehmer von besonders gelungenen Beispielen der Kooperation inspirieren lassen, untereinander austauschen und miteinander vernetzen. Die zweite Ausgabe der Reihe führte Ende November in den Westen des Landes. 30 Akteurinnen und Akteure aus der heimischen Gastronomie, Landwirtschaft und Logistik folgten der Einladung von IDM, drei ausgewählte Pioniere aus dem Vinschgau kennenzulernen.
Bio-Dorfsennerei Prad
Wie wichtig oder sogar fundamental der Austausch untereinander sein kann, davon zeugte der Besuch der Bio-Dorfsennerei Prad. Die traditionelle Struktur wurde 2018 durch die beherzte Initiative der Bürgergenossenschaft Obervinschgau vor dem Aus bewahrt. Ihre rund 150 Mitglieder setzen sich für die Stärkung der regionalen Kreisläufe und lokalen Wertschöpfung im Obervinschgau ein. Mit dem Erhalt der Bio-Dorfsennerei retteten sie nicht nur ein wichtiges Kulturgut, sondern stellten auch eine zusätzliche Erwerbsquelle für die Bauernhöfe in der Umgebung sicher. „Unser hochwertiger Kuh- und Ziegenkäse wird auf Messen, Märkten und im Lebensmitteleinzelhandel verkauft. Rund 10% der Käseproduktion wird an die Gastronomie geliefert – ein Anteil, der noch ausbaufähig ist“, klärte Michael Hofer, Geschäftsführer der BGO, die interessierten Teilnehmenden des Events auf. Neben dem Käse vertreibt die BGO noch weitere Produkte von rund 20 Bauernhöfen, wie Gemüse oder landwirtschaftliche Erzeugnisse. „Auf unserer B2B-Plattform sieht die Kundschaft, welche und wieviel Ware verfügbar ist. Der Kunde gibt seine Bestellung auf, wir liefern zum angegebenen Datum und verrechnen dann monatlich“, antwortet der studierte Ökonom auf die Frage, wie das Produkt vertrieben wird.
Erste bäuerliche Fischzucht
Kontakte waren auch das Sprungbrett für Stefan Weissenhorn aus dem Matschertal, den die Teilnehmenden von „Zu Gast bei Pionieren im Vinschgau“ im Anschluss besuchten. Auf dem elterlichen Außerglieshof nahm der Bauer 2019 die erste bäuerliche Fischzucht Südtirols in Betrieb. Seine Saiblinge wachsen auf 1.800 Metern Meereshöhe in reinem, besonders kaltem Bergquellwasser heran. „Die Wasserqualität und die Frische sind die Qualitätsfaktoren für meinen Saibling“, unterstreicht Weissenhorn. Von der Idee bis zur Umsetzung der Fischzucht dauerte es drei Jahre. Nach intensiver Planungszeit gemeinsam mit dem Südtiroler Bauernbund, nach diversen Gutachten und Beschlüssen sowie dem Besuch verschiedener Kurse wurde der erste Fisch in den Teich gesetzt. „Schnell sagten Köche und Hoteliers mir ihr Interesse zu und zählen seither zu meinen Kunden“, so Weissenhorn, der so für seinen landwirtschaftlichen Betrieb ein stabiles drittes Standbein geschaffen hat; seine Fischzucht liefert ihm heute neben dem Urlaub auf dem Bauernhof und der Rinderaufzucht ein weiteres, sicheres Einkommen.
Restaurant im Ex-Gefängnisturm
Der Besuch im Restaurant Flurin in Glurns, das in einem ehemaligen Gefängnisturm aus dem Mittelalter untergebracht ist, bildete den Abschluss der Veranstaltung. Eigentümer und Gault Millau-Newcomer des Jahres 2023 Thomas Ortler gibt dem Lokal mit seiner regionalen Küche seine persönliche Note. Der Werdegang des Quereinsteigers führte vom Studium in Wien über Ferialjobs in der Berliner Kochszene, bis er schließlich mit seinem Vater den Flurinturm erwarb, renovierte und 2019 dort sein eigenes Restaurant eröffnete. Lokale Zutaten prägen die Speisekarte, die ausschließliche Verarbeitung des gerade frisch Verfügbaren gehört zur Philosophie des Küchenchefs: „Nicht jedes Produkt ist zu jeder Zeit des Jahres gut, ich kreiere meine Gerichte mit dem, was da ist“. Dabei greift Thomas Ortler wie jetzt im Winter gerne auch auf eingelegte und fermentierte Zutaten zurück. Die Wertschätzung für die Produkte geht mit der Wertschätzung seiner Produzenten einher: „Meine Zeit im Ausland hat mir gezeigt, dass es bei uns viele tolle Leute gibt und es sich lohnt, auch mal mit Produkten zu experimentieren, die man nicht so gut kennt.“