Die „Schwarze Lacke“, ca. 150 Höhenmeter oberhalb des Kortscher Sees, weist seit 2021 Ausfällungen auf. Im Hintergrund sieht man gut den Blockgletscher.
Die Lacke beim Walchstein.
Im Bild (v.l.): Christoph Wanner, Volkmar Mair und Andrea Kuntner.
Wie schnell sich Aluminium-Flocken bilden können, führte Christoph Wanner mit einem Experiment vor.

„Weiße“ Bergbäche

Vieles deutet darauf hin, dass dieses Phänomen eine indirekte Folge des Klimawandels ist.

Publiziert in 7 / 2022 - Erschienen am 12. April 2022

Schlanders - Vor rund 35 Jahren war ein Jäger in der Schweiz erstmals auf Weißfärbungen von Bergbächen und Bergseen aufmerksam geworden. Im Vinschgau beobachtete Raimund Rechenmacher 2004 erste Weißfärbungen im hinteren Schlandrauntal. Seither tritt dieses Phänomen immer häufiger auf. Auch im Matscher- und Zerzertal kam es zu entsprechenden Beobachtungen. Was es mit diesen Weißfärbungen auf sich, inwiefern das Phänomen mit dem Klimawandel zusammenhängt und mit welchen Folgen für die Natur, die Umwelt und den Menschen zu rechnen ist, war Thema eines Vortragsabendes, der am 1. April im Rahmen der Veranstaltungsreihe „Bücherwelten 2022“ im Kulturhaus in Schlanders stattgefunden hat. Als Gastreferenten konnte Andrea Kuntner im Namen der Bibliothek Schlandersburg und der AVS Sektion Schlanders den Geologen Christoph Wanner von der Universität Bern und den Landesgeologen Volkmar Mair vom Amt für Geologie und Baustoffprüfung begrüßen. Auf den Wissenschaftler und Oberassistenten Christoph Wanner und weitere Wissenschaftler war Andrea Kuntner bei Recherchen zum Thema der Weißfärbungen gestoßen, zu dem sie für den der Vinschger eine Titelgeschichte veröffentlicht hat (Ausgabe 39-40 vom 12. November 2020).

Untersuchungen im Schlandrauntal

Im August 2021 hielt sich Wanner für Messungen und Untersuchungen im Schlandrauntal auf. Auch Wasserproben wurden entnommen und anschließend im Labor untersucht. Einleitend wies der Wissenschaftler darauf hin, dass mittlerweile in mehreren Gebieten im Dreiländerneck, speziell in den Ostalpen, Weißfärbungen festzustellen sind. Bei den sogenannten Aluminium-Flocken, die sich vorwiegend am Oberflächengestein festsetzen, handelt es sich Aluminiumsulfat-Ausfällungen. Mit Ausfällung ist das Ausscheiden eines gelösten Stoffes aus einer Lösung durch Änderungen von Parametern, wie Druck, Temperatur, pH-Wert usw. gemeint. Für die weißen Ausfällungen braucht es laut Wanner Blockgletscher bzw. Permafrost, pyrithaltiges Gestein und Wasser mit niedrigem pH-Wert: „Die Interaktion zwischen Wasser und dem Gestein führt zur Produktion von Säure und im Anschluss zur Freisetzung von Aluminium, Nickel, Mangan und Fluor.“ Diese Elemente, die im Blockgletscher-Eis gespeichert sind, geraten beim Auftauen des Permafrosts in Bewegung, vor allem bei höheren Temperaturen im Sommer. Infolge der Neutralisation der Bäche wird Aluminium in Form weißer Flocken entlang der Bergbäche ausgefällt. „Weiße Bäche und Bergseen sind somit indirekt eine Folge des Klimawandels“, schlussfolgerte Wanner. Während Aluminium zurückgehalten werde, sei dies bei anderen Elementen nicht der Fall.

Hohe Verfrachtung von Elementen

Am Beispiel von Untersuchungen in der Val Costainas im äußersten Südosten der Schweiz und in weiteren Hochtälern in der Schweiz belegte Wanner, dass die mobilisierten Elementfrachten sehr hoch sind und in den letzten 20 Jahren deutlich zugenommen haben. So wurde z.B. festgestellt, dass in der Val Costainas im Jahr 2021, ausgehend vom Blockgletscher, fast 10 Tonnen Fluorid, 2,8 Tonnen Zink und je rund 1 Tonne Mangan und Nickel mobilisiert wurden. Eine weitere Verschlechterung der Wasserqualität sowie das Auftreten von Aluminium-Flocken in anderen Gebirgsbächen der Ostalpen seien laut Wanner anzunehmen: „Irgendwann wird wahrscheinlich ein Maximum erreicht sein.“ Die in der Val Costainas gemachten Beobachtungen würden in ähnlicher Form auch für das Schlandrauntal gelten. 

Teilweise extrem hohe pH-Werte

Wie Volkmar Mair ausführte, haben Messungen in Lazaun ergeben, dass das dortige Wasser aus dem Blockgletscher im Zeitraum von Juli bis September einen extrem hohen pH-Wert aufweist, also stark sauer ist. Auch der Gehalt an Metallen sei in Blockgletschergewässern zum Teil extrem hoch. „Völlig anders ist die Situation beim Abfluss des Saldurgletschers, der sich in unmittelbarer Nähe der Lazaun-Messstelle befindet. Dort wurden fast keine Metalle festgestellt.“ Es seien laut Mair somit nicht die „normalen“ Gletscher, die hohe Konzentrationen aufweisen, sondern vor allem die Blockgletscher als typische Erscheinungen des Permafrosts im Hochgebirge.

Fische und Kleinlebewesen in Gefahr?

Das Phänomen der weißen Bäche ist auf einer Meereshöhe von rund 2.500 aufwärts zu beobachten. Während die „Schwarze Lacke“ im Schlandrauntal bereits „weiß“ ist, gibt es im Kortscher See (2.510 m), wo auch Fische leben, noch keine Anzeichen. Theoretisch können Aluminium-Flocken den Fischen laut Wanner schon gefährlich werden, denn sie „blockieren“ die Kiemen. Wirbellose Kleinlebewesen am Grund von Gewässern im Gebirge (Makrozoobenthos) können sehr wohl Schaden nehmen. Dies bestätigte auch Volkmar Mair. Zur Frage, mit welchen Auswirkungen für das Trinkwasser zu rechnen sei, stimmten Wanner und Mair darin überein, dass ständig Untersuchungen und Kontrollen durchgeführt werden, auch bei den Quellfassungen. Nichtsdestotrotz gelte es, ein wachsames Auge auf dieses Phänomen zu werfen. Beim Überschreiten bestimmter Grenzwerte wurden als mögliche Lösungen Aufbereitungsanlagen genannt oder auch die Suche nach neuen Quellen.

Josef Laner

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