Dietmar Meister ist seit 2019 Chef vom Dienst in der Kommunikationsabteilung des Österreichischen Gewerkschaftsbundes. Der gebürtige Schlanderser lebt seit 2004 in Wien, wo er Journalismus und Politikwissenschaft studiert und über mehrere Jahre als freier Journalist und Redakteur gearbeitet hat.

Was kann man noch glauben?

Wie man richtige Informationen von falschen unterscheidet – ein Leitfaden

Publiziert in 43-44 / 2020 - Erschienen am 15. Dezember 2020

Schlanders - „Do woasch jo nimmr, wos du glabm sollsch“, bekam ich vor Kurzem zu hören. Von einer an sich gescheiten Person, die eine ausgeprägte Meinung zu verschiedensten Themen hat. Diesem Satz voraus ging eine Unterhaltung über diverse Verschwörungstheorien, die gerade im Internet kursieren. Und ja, es ist nicht immer einfach, das Glaubhafte vom Unglaubhaften zu unterscheiden. Niemand von uns weiß bei jeder Information sofort, ob sie richtig oder falsch ist. Allerdings kann man den Wahrheitsgehalt einer Information mit relativ wenig Aufwand überprüfen.

Nicht alles glauben

Die Voraussetzung dafür ist, dass man gewillt ist, Dinge zu hinterfragen. Das heißt vor allem, dass man nicht alles glaubt, was einem erzählt wird. Als Grundsatz gilt auch: Der Freund von einer Bekannten oder gar dessen Nachbarin ist in der Regel keine verlässliche Quelle. Und etwas „im Internet gelesen“ zu haben, reicht definitiv noch nicht als Nachweis für eine glaubwürdige Information. Gerade im Netz lauern viele „Fake News“, die es als solche zu enttarnen gilt. Nehmen wir ein Beispiel: Vor einigen Wochen ist im Vinschgau ein Video aufgetaucht, hochgeladen wurde es auf YouTube und Facebook, verschickt unter anderem per WhatsApp. In diesem Video ist ein italienischsprechender Mann zu sehen, der Rotwein einem Corona-Test unterzieht – mit positivem Ergebnis. Für jene, die sich aus diesem oder jenem Grund sowieso und grundsätzlich nicht testen lassen wollen, ist so ein Video der ultimative Beweis, dass sie mit ihrer Einstellung richtig liegen. Deshalb leiten sie es an möglichst viele Bekannte weiter und reden so oft wie möglich darüber. Das Problem ist nur: Das Video wurde manipuliert. Beim genaueren Hinsehen erkennt man, dass das Video geschnitten wurde – ein kleiner Sprung in der Abfolge der Bilder verrät es.

Absender herausfinden

Nun ist aber nicht jedes Auge geübt darin, einen solch kleinen Sprung wahrzunehmen. Aber das muss auch nicht sein. Denn man kann auch auf einem anderen Weg zur Erkenntnis kommen, dass es sich um eine Falschinformation handelt und der Mann nicht wirklich Rotwein positiv auf Corona testet. Die erste Frage, die man sich dazu stellen muss, lautet: Wer ist der Absender? Gemeint ist jene Person oder Organisation, die das Video hochgeladen hat. Auf YouTube oder Facebook reicht dazu ein Klick auf den unterhalb eines Videos angezeigten Namen. Bei einer Website wiederum kann man sich das Impressum anschauen. Sollte es schwierig sein, eine konkrete Information zum Absender zu finden oder eine Website gar kein Impressum aufweisen, ist die Quelle in der Regel nicht vertrauenswürdig.

Wissenschafter oder Kochbuchautor?

Wenn man aber herausgefunden hat, wer der Absender ist, sollte man als nächstes der Frage nachgehen, was diese Person oder Organisation genau macht. Handelt es sich um einen renommierten Wissenschafter, eine bekannte Journalistin oder vielleicht doch eher um eine Person, die von der Sache, über die sie redet, eigentlich keine Ahnung hat (bekannte Beispiele hierfür sind etwa der Kochbuchautor Attila Hildmann und der Schmusesänger Xavier Naidoo). Um mehr über eine Person zu erfahren, ist es oft schon hilfreich, ihren Vor- und Nachnamen in eine Suchmaschine einzugeben und sich dann durch die Suchergebnisse zu klicken.

Den Zweck hinterfragen

Hat man die Recherche zum Absender erledigt, gilt es, zu hinterfragen, was mit der Verbreitung eines Inhalts bezweckt werden soll. Geht es dem Absender wirklich darum, eine sachliche Information einem möglichst breiten Publikum zur Verfügung zu stellen? Oder steht vielleicht doch ein anderer Beweggrund im Vordergrund? Gerade, wenn es um Videos im Internet geht, besteht der vorrangige Zweck für den Absender häufig darin, den eigenen Bekanntheitsgrad zu steigern. Bei sogenannten Influencern geht es außerdem, ganz banal, ums Geld, das sie verdienen, wenn ihre Videos häufig geklickt werden. Politischen Akteuren wiederum geht es in erster Linie darum, ihre Positionen zu einem Thema zu verbreiten und ihr Netzwerk zu erweitern.

Nun zum Inhalt

Ist der Zweck nicht offensichtlich, sollte man sich den Inhalt selbst genauer anschauen. Seriöse Inhalte sind in der Regel nicht nur frei von Rechtschreibfehlern – auch die darin vorgebrachten Argumente sind nachvollziehbar und schlüssig. Ein Negativbeispiel: Auf verschiedenen Plattformen kursieren seit einigen Monaten Videos eines sympathisch in die Kamera lachenden Südtirolers namens Benjamin. Er verspricht den Menschen Freiheit, wenn sie nur endlich „aufwachen“. Um die Zuseherinnen und Zuseher für seine Sache zu gewinnen, hantiert er zunächst mit gängigen Meinungen wie „Wir zahlen zu viele Steuern“, redet dann aber gleich – und offenbar ohne jegliche Fachkenntnisse – über diverse Gesetze, um die vorgetragenen Gedanken schließlich in einer esoterischen Mixtur diverser Verschwörungstheorien münden zu lassen. Der Kern seiner Argumentation lautet: Der Staat ist eine Firma und wir sind das Personal.

Der Vergleich bringt‘s

Wer sich nun denkt, dass das doch irgendwie logisch klingt oder sich nicht sicher ist, was er davon halten soll, der sollte den Vergleich heranziehen: Was sagen und schreiben andere zum gleichen Thema? Über die Eingabe der zentralen Schlagworte in eine Suchmaschine findet man schnell heraus, was renommierte ExpertInnen oder Qualitätsmedien von einer Argumentationslinie halten. Sucht man etwa nach „Der Staat ist eine Firma“, führt einen dieser Weg ziemlich schnell zu Berichten von Qualitätszeitungen über sogenannte „Reichsbürger“ bzw. „Staatsverweigerer“. Das sind Einzelpersonen, die sich in sektenartigen Kleingruppen organisieren und sich jeder offenen, pluralistischen Gesellschaft widersetzen. Der Vergleich spricht in diesem Fall also nicht für den sympathisch in die Kamera lachenden Benjamin. Aber Achtung: Beim Vergleichen sollte man unbedingt darauf achten, dass man nicht im Kreis läuft. In anderen Worten: Eine Information wird nicht richtiger, wenn ein anderer Benjamin sie auch verbreitet.

Jaja, die Lügenpresse

Nun zum letzten Punkt: Es gibt Leute, die davon überzeugt sind, dass so gut wie alles, was von den sogenannten „Mainstream-Medien“ veröffentlicht wird, gelogen ist. Sie sind sich sicher, dass man sie grundsätzlich, immer und überall hinters Licht führen will, dass hinter all dem ein geheimer Plan steckt, der darauf abzielt, mindestens die halbe Menschheit auszurotten. Solltest du zu diesen Leuten gehören: Hast du schon mal drüber nachgedacht, wie es sein kann, dass genau du über all diese geheimen Machenschaften Bescheid weißt, dass neben Attila, Xavier und Benjamin ausgerechnet du zu diesem Insiderkreis gehörst, zu diesem erlesenen Zirkel, der die echte Wahrheit kennt? Nein? Dann tu das mal. Allen anderen wünsche ich einen guten Rutsch und ein besseres Jahr 2021!

Dietmar Meister

Redaktion

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