„Vinschger Weine sehr gefragt und beliebt“
Kellermeister Stefan Kapfinger über die Auswirkungen der Corona-Krise auf die Weinwirtschaft, die Weinlese 2020, den Klimawandel und viele weitere Themen
der Vinschger: Herr Stefan Kapfinger, die Corona-Krise hat auch die Weinwirtschaft ziemlich hart getroffen. Wie hat sich die Krise auf die Kellerei Meran ausgewirkt?
Stefan Kapfinger: Wie bei wohl so ziemlich allen Branchen, ist das Corona-Virus auch an der Weinwirtschaft nicht spurlos vorbeigezogen. Die Kellerei Meran beliefert Fachhändler und Gastronomen aus ganz Italien und darüber hinaus aus der ganzen Welt. Geschlossene Hotels, Restaurants, Barbetriebe und Vinotheken bedeuten gleichzeitig auch weniger bis keinen Umsatz.
Gibt es auch direkte Folgen für die Weinbauern im Vinschgau, die ihre Trauben zu Ihrer Kellerei liefern?
Natürlich sind auch die Vinschger Weinbauern, von den Auswirkungen der Corona-Krise nicht verschont geblieben. Bauern, die nicht ausschließlich Weinbau betreiben und somit mehrere Standbeine haben, konnten die Folgen der Krise vielleicht ein wenig abfedern. Der Umsatzrückgang der Kellerei Meran wird sich allerdings entsprechend auf die Auszahlungspreise an die Mitglieder der Ernte 2019 auswirken.
Wie würde das Resümee des Weinjahres 2019 ohne das Corona-Virus ausfallen?
In den letzten Jahren konnten wir erfolgreich ein immer weiter steigendes Nachfrage-Plus verzeichnen, welches 2020 sicherlich noch weiter angestiegen wäre. Die Vinschgau-Linie ist in Südtirol sehr gefragt und auch auf dem restlichen italienischen Markt sehr beliebt.
Mit welchen Mengen und mit welcher Qualität ist in Bezug auf die Weinlese 2020 zu rechnen?
Sicherlich lagert in diesem Jahr mehr Wein in den Kellern, als in den vergangenen Jahren. Hinsichtlich der Qualität muss immer das gesamte Weinbaujahr betrachtet werden. Der Frühling 2020 verlief relativ trocken und ohne größere Niederschlagsmengen. Vereinzelte Frostnächte im März hatten keinen nennenswerten Einfluss auf den Austrieb der Reben. Die ausbleibenden hohen Hitzeperioden im Sommer ließen Weintrauben mit vielversprechenden Säurewerten und gesunden, klar definierten Beeren heranwachsen. Durch den plötzlichen Kälteeinbruch von Ende August mit einer spürbaren Temperatursenkung, die auch für kühlere Nächte sorgte, sehen wir Trauben mit einer sehr guten aromatischen Reifeentwicklung entgegen, die beim Wein besonders zur Geltung kommen wird.
Ist die Kellerei Meran mit den Lieferanten aus dem Vinschgau zufrieden oder gibt es Anregungen und Wünsche Ihrerseits an die Vinschger Winzer?
Was uns besonders mit den Weinbauern aus dem Vinschgau verbindet, ist das gemeinsame Ziel, hochwertige Weine zu produzieren. Wir ziehen an einem Strang und stehen ihnen mit Rat und Know-How zur Seite. Gerne nehmen wir auch weitere Mitglieder aus dem Vinschgau bei uns auf. Wer Interesse hat, kann mit unserer Mitgliedsabteilung Kontakt aufnehmen. Alles, was es hierfür braucht ist eine Weinbergfläche sowie Passion und Begeisterung für einen Weinbau in teils extremen Lagen.
Es gibt immer wieder Landwirte aus dem Vinschgau, die Teile ihrer Apfelwiesen in Weinberge umwandeln. Begrüßen Sie diesen Trend?
Ein Landwirt versucht seine Tätigkeit immer langfristig auszulegen und sich, je nach Betriebsgröße und der verfügbaren Fläche, auf mehrere Standbeine aufzustellen. In bestimmten Fällen eignen sich gewisse Lagen besser für den Wein- als für den Obstbau oder umgekehrt. Dies hängt jedoch immer von den vorherrschenden Bedingungen ab. Durch eine bewusste und genaue Überprüfung der jeweiligen Standorte kann es somit zu Kultur-Änderungen kommen.
Inwieweit wirkt sich der Klimawandel auf den Weinbau im Vinschgau und im gesamten Einzugsgebiet der Kellerei Meran aus?
Der Wandel des Weltklimas ist in den Alpen deutlich sicht- und spürbar, etwa beim Rückgang der Gletscher oder bei höheren jährlichen Durchschnittstemperaturen. Aktuell ist im Vinschgau der Weinanbau bis auf circa 900 Metern Höhe möglich. Durch einen weiteren Wandel des Weltklimas können diese Höhengrenzen in Zukunft natürlich variieren. Allerdings gilt es zu bedenken, dass die Natur dem Weinbau immer wieder Grenzen setzen kann, wie zum Beispiel bei frühen Wintereinbrüchen oder starkem Frost, wie etwa in den Jahren 2014 und 2017.
Lässt sich die Qualität der Vinschger Weine überhaupt noch steigern?
Die Qualität der Vinschger Weine bewegt sich bereits auf einem sehr hohem Level. Dies liegt vor allem an der professionellen, hingebungsvollen Arbeit der Bauern und an den schonenden Weiterverarbeitungsprozessen in der Kellerei. Es gilt allerdings immer zu bedenken, dass die Bauern und somit auch die Trauben den Launen der Natur ausgesetzt sind. Das Wachstum und dadurch auch die Qualität der Trauben wird durch meteorologische Einflüsse, wie lange Hitze- oder Regenperioden, Frost und Hagel beeinflusst, gegen welche der Mensch teilweise machtlos ist. Deshalb ist auch jedes Weinbaujahr und jeder Jahrgang verschieden. Gerade dies macht den Weinbau so spannend.
Wie läuft die Vermarktung der Vinschgau-Linie der Kellerei Meran?
Speziell in Südtirol und im Rest von Italien sind die Vinschger Weine sehr gefragt und beliebt. Es sind mineralische, alpine Bergweine, die von ihrer Herkunft erzählen und das macht sie zu authentischen Botschaftern des Vinschgaus. Extreme, alpine Wetterbedingungen, mit hohen Temperaturschwankungen zwischen Tag und Nacht und außergewöhnlich steile Weinberge mit kargen Böden, prägen den Vinschgau. Dabei ist es uns besonders wichtig, dass der Ursprung der Trauben auch im Weinglas noch erkennbar ist. All diese Faktoren sorgen dafür, dass die Weine aus der Vinschgau-Linie besonders hoch angesehen sind.
Haben Sie Anregungen und Tipps für die Vinschger Weinbauern in Bezug auf die Wahl der Weinsorten?
Aktuell haben wir 4 Weinsorten in der Vinschgau-Weinlinie zusammengefasst: Weißburgunder, Kerner, Vernatsch und Blauburgunder. Welche Weinsorte sich für welche Lage am besten eignet, kann nicht pauschalisiert werden. Jeder Standort weist unterschiedliche Voraussetzungen auf, wodurch jede Bodenbeschaffenheit und das vorherrschende Mikroklima einzeln geprüft und beurteilt werden müssen. In jedem Fall wird dann nur die am besten geeignete Rebsorte, welche erstklassige Bedingungen vorfindet, angepflanzt. Die Produktionsmengen sind bei allen vier Sorten sicherlich noch ausbaufähig.
Viele Großveranstaltungen, ich nenne nur die Vinitaly 2020, wurden aufgrund der Covid-19-Pandemie abgesagt. Welche Folgen haben diese Ausfälle für die Kellerei Meran und die Weinwirtschaft insgesamt?
Großveranstaltungen wie beispielsweise die Vinitaly sind natürlich besonders wichtig für uns. Durch diese haben wir die Möglichkeit, Händler aus der ganzen Welt auf unsere Weine aufmerksam zu machen und können so wertvolle Kontakte für die Zukunft knüpfen. Auf den Weinmessen im Frühjahr, werden zudem die neuen Jahrgänge präsentiert und mit entsprechendem Fachpublikum verkostet. Dabei können wir auch selbst neue Eindrücke sammeln und die aktuelle Grundstimmung der Weinwirtschaft und der Weinmärkte ermitteln.
Wie sieht es derzeit mit der Bekämpfung der Kirschessigfliege aus?
Aufgrund der günstigen Witterungsbedingungen, wie Regen, warme Nächte und hohe Luftfeuchtigkeit konnte sich die Kirschessigfliege dieses Jahr verstärkt ausbreiten. Die Weinberge werden aber mittels Beerenproben auf einen eventuellen Befall ständig überwacht und überprüft. Beeren, welche beispielsweise durch Hagel oder ähnliches verletzt wurden, waren besonders anfällig für die Kirschessigfliege. In diesen besonderen Fällen reagieren wir natürlich sofort und manchmal mussten wir früher als geplant die Trauben ernten.
Bis wann wird sich die Weinwirtschaft von der Corona-Krise vollständig erholt haben?
Das gesamte Ausmaß dieser Krise kann aus heutiger Sicht nur schwer abgeschätzt werden. Der Verkaufseinbruch der letzten Monate und die Umsatzeinbußen werden dieses Jahr wohl nicht aufgeholt werden können. Wir hoffen, dass Südtirol bald wieder zu einer wichtigen Urlaubsdestination aufblühen kann. Der Tourismus wird den erhofften und lebensnotwendigen Aufschwung für alle damit verknüpften Wirtschaftszweige bringen. Wie es in den nächsten Jahren weitergeht, steht aber aktuell noch in den Sternen.
Die Kellerei Meran hat im Sommer eine vollständig erneuerte Homepage ins Netz gestellt. Was sind die Hauptthemen dieser neuen Online-Präsenz?
Ja, das stimmt. Die alte Homepage war in die Jahre gekommen und konnte außerdem technisch den modernen Ansprüchen nicht mehr gerecht werden. Mit diesem neuen Internetauftritt war es uns wichtig, auf unsere Kellerei mit zwei äußerst unterschiedlichen Weinbaugebieten (Meraner Land und Vinschgau) aufmerksam zu machen. Außerdem wollten wir unseren 360 Mitgliedern mehr Präsenz geben und auch auf die zeitaufwändige Arbeit der Weinbauern - unter teils schwierigsten Bedingungen - während des Weinbaujahres hinweisen. Zusätzlich haben wir unseren 4 Weinlinien und auch unserem ersten Sekt, den Brut Riserva 36, mehr Platz gegeben. Sie sind authentische Botschafter gelebter Leidenschaft.