Carlo Romeo (links) und Leopold Steurer

„Späte Gerechtigkeit“

Publiziert in 14 / 2022 - Erschienen am 3. August 2022

Laas - Er lernte ihn in den 1990er Jahren als „bescheidenen und sehr ruhigen“ Menschen kennen, der nicht gerne darüber sprach, was ihm während des Zweiten Weltkrieges widerfuhr, warum er desertierte und wieso er in den Widerstand gegen das NS-Regime trat. So charakterisierte der Historiker Leopold Steurer den 1924 am Pöderhof in Allitz geborenen Widerständler Johann Pircher. Steurer hatte zusammen mit Carlo Romeo das 1975 erschienene Buch „Il caso del partigiano Pircher“ von Giambattista Lazagna („Der Fall des Partisanen Pircher“) neu herausgegeben und mit einer Einführung versehen. Vorgestellt wurde die deutschsprachige Neuausgabe am 22. Juli auf Einladung des Bildungsausschusses vor vielen Interessierten im Josefshaus in Laas. Leopold Steurer hatte Hans Pircher, der 2002 in Vetzan gestorben ist, dort mehrmals besucht. Aufgewachsen ist Pircher als sogenanntes „Kostkind“. 1939 optierte sein Vater für Deutschland. 1943 wurde Hans Pircher von der Wehrmacht eingezogen. 1944 desertierte er und trat in den Widerstand. „Über die Option und den Widerstand sprach er nur ungern, er wollte diese Thema als abgeschlossen betrachten“, sagte Steuer. Der Historiker erinnerte daran, dass diese Themen in Südtirol über Jahrzehnte hinweg tabu gewesen seien. Vor allem die SVP habe sich gegen eine Aufarbeitung gestemmt. Erst nach der Options-Ausstellung 1989 sei es zu einer zaghaften Trendumkehr gekommen. Auch die Persönlichkeit von Josef Mayr-Nusser, der den Eid auf den Führer verweigerte und dem Nationalsozialismus zum Opfer fiel, sei in Südtirol relativ spät erkannt und gewürdigt worden. Als Widerständler besorgte Hans Pircher unter anderem Kurierdienste in die Schweiz und aus der Schweiz. Er war Mitglied der Partisanengruppe um Hans Egarter. Nach dem Krieg wurde Pircher gerichtlich verurteilt und war von 1966 bis 1975 inhaftiert. Er war nach dem Kriegsende mit 17 weiteren Partisanen der Ermordung eines deutschen Hauptmannes und eines Passeirer AdO-Blockleiters angeklagt worden. 1975 wurde er begnadigt. Im selben Jahr veröffentliche der Partisan und Rechtsanwalt Giambattista Lazagna die Publikation „Il caso del partigiano Pircher“, die italienweit Verbreitung fand. Die jetzige Neuauflage der deutschen Fassung, die im Verlag „Alpha & Beta“ erschienen ist, und zwar in der Reihe „Territorio/Gesellschaft“, bezeichnete Leopold Steurer als wichtigen Beitrag zur Erinnerungskultur. Es handle sich um einen weiteren kleinen Baustein in der geschichtlichen Aufarbeitung von Themen, die lange Zeit „unterdrückt“ wurden. Auch heute noch hätten manche Schwierigkeiten im Umgang mit bestimmten Themen. In die Persönlichkeit von Lazagna und dessen Tätigkeiten führte Carlo Romeo ein. Unter dem zahlreichen Publikum befand sich u.a. auch die Laaser Bürgermeisterin Verena Tröger. Für „Alpha & Beta“ war Dominikus Andergassen nach Laas gekommen. Mit dem Buch soll Hans Pircher späte Gerechtigkeit erfahren.

Josef Laner

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