„Schlofn konn i guat“
Der Stilfser Bürgermeister Franz Heinisch lässt sich von der Politik nicht zu sehr aus der Ruhe bringen. Fragezeichen hinter Wiederkandidatur 2025.
Stilfs - Wenn nicht das Handy schellt, sind es die Kindergartenkinder im Stock darüber, die den Stilfser Bürgermeister unüberhörbar wissen lassen, dass sie putzmunter sind. „Daran habe ich mich längst gewöhnt, das höre ich gar nicht mehr“, sagt Franz Heinisch hinter dem aufgeräumten Tisch in seinem Büro im Rathaus. Im Hintergrund sind ein Foto des Ortlers zu sehen, ein Bild des Dorfes Stilfs und der Herrgott. „Das Wichtigste ist, dass man gesund ist und gut schlafen kann“, sagt der Bürgermeister, bevor er sich von unseren Fragen überrumpeln lässt. Was er nach dem Einschlafen immer als erstes höre, sei der Wecker. Trotz der vielen Arbeit habe er das Glück, abschalten zu können und die Politik sozusagen nicht mit ins Bett nehmen zu müssen.
der Vinschger: Sie sind seit Ende September 2020 Bürgermeister. Gab es seither Tage, an denen Sie es lieber nicht gewesen wären?
Franz Heinisch: Eigentlich nicht. Natürlich gibt es manchmal Momente und Situationen, auf die gerne verzichten möchte, aber das gehört einfach dazu. Im Großen und Ganzen bin ich gerne Bürgermeister. Es gefällt mir, mit Menschen zu reden, ihnen zuzuhören und zu helfen, soweit ich eben kann.
Wird es bei den Wahlen im Mai 2025 wieder einen Bürgermeisterkandidaten Franz Heinisch geben?
(Gesicht und Hände werden zur Frage): Das kann ich derzeit noch nicht sagen. Ich wurde zwar schon mehrfach gebeten, weiterzumachen und es würde mir auch gefallen, zumindest die ganze PNRR-Geschichte halbwegs zu Ende zu bringen, aber endgültig entschieden habe ich noch nicht. Bei so einer Entscheidung hat natürlich auch meine Frau Martina und die ganze Familie mitzureden. Außerdem werde ich bald 65, aber das Alter fällt weniger ins Gewicht als die Gesundheit.
Als es Ihnen und Ihren Mitstreitern gelang, die mittlerweile famosen 20 Millionen Euro aus dem PNRR-Fonds an Land zu ziehen, hieß es immer wieder: Jetzt hat Stilfs Geld genug. Ist dem tatsächlich so?
Nein, dem ist leider nicht so. Weil uns das Ministerium in Rom zwei Projekte gestrichen hat, nämlich den Neubau der Feuerwehrhalle in Stilfs und die Verlegung der Hochspannungsleitung, die durch das Dorf führt, können wir die Geldmittel, die ursprünglich dafür vorgesehen waren, zwar für die anderen Projekte verwenden, aber wir müssen jetzt trotzdem schauen, dass wir den 20-Millionen-Rahmen nicht sprengen. Es waren vor allem die gewaltigen Preissteigerungen der vergangenen Jahre, welche die Projektkosten in die Höhe schnellen ließen.
Wie steht es mit der Umsetzung der PNRR-Projekte?
Zurzeit sind wir dabei, das alte Gemeindehaus auszuräumen. Der Altbau wird noch heuer abgerissen und im Frühjahr wollen wir mit der Errichtung der multifunktionalen Gemeinschaftsstruktur beginnen, in der ein Geschäft, die Bibliothek, das Dorfarchiv, die Zweigstelle der Raffeisenkasse Prad-Taufers, Multifunktionsräume sowie Wohnungen untergebracht werden sollen. Ebenfalls im Frühjahr anlaufen soll die Errichtung des „Mobilitätszentrums“ am Dorfeingang. Vorgesehen sind neben einem Buswendeplatz auch 3 Busparkplätze, eine zweistöckige Tiefgarage mit über 30 Stellplätzen sowie Räume für den Gemeindebauhof. Außerdem werden Ladestellen für Elektro-Autos und E-Bikes erreichtet sowie eine Paket-Abholstation. Die Gemeinschaftsstruktur und das „Mobilitätszentrum“ kosten zusammen über 8 Millionen Euro.
Dann ist fast die Hälfte aller PNRR-Gelmittel schon verbraucht?
Ja, diese zwei Projekte sind die mit Abstand größten baulichen Maßnahmen, die wir mit den EU-Geldmitteln aus dem PNRR-Fonds finanzieren können. Hinzu kommt noch eine ganze Reihe weiterer kleinerer Projekte und Maßnahmen in den Bereichen Kultur, Gemeinschaft, Landwirtschaft, Landschaft, Handwerk und Tourismus. Dass es uns gelungen ist, die 20 Millionen überhaupt zu bekommen, haben wir in erster Linie Armin Bernhard zu verdanken, der das PNRR-Projektes „Stilfs - Resilienz erzählen“ geschrieben hat und leider am 8. Jänner 2023 allzu früh gestorben ist. Mit Daria Habicher haben wir eine kompetente und engagierte Projektkoordinatorin gefunden. Auch die Projekt-Steuerungsgruppe und die Bezirksgemeinschaft Vinschgau leisten wertvolle Unterstützung. Den Tipp, in Rom anzusuchen, hatte uns seinerzeit übrigens Albrecht „Abi“ Plangger gegeben.
Es kommt immer wieder vor, dass Sie bei öffentlichen Anlässen irrtümlich als „Suldner Bürgermeister“ bezeichnet werden, denn der Name Franz Heinisch wird sofort mit Sulden verbunden, vor allem aufgrund Ihrer Funktion als langjähriger Leiter der Sektion Sulden des Weißen Kreuzes und als ehemaliger Chef der einstigen Disco Après Club Sulden. Sind Sie irgendwie „suldenlastig“?
Nein, ich habe mich zusammen mit dem Ausschuss und Gemeinderat stets darum bemüht, immer das gesamte Gemeindegebiet im Auge zu behalten, egal ob das Sulden war, Trafoi, Gomagoi, Stilfser Brücke, Stilfs, die Weiler am Berg oder auch das Stilfser Joch, soweit es sich auf Südtiroler Seite befindet. Als eines von mehreren Beispielen nenne ich den Gehsteig in Trafoi im Abschnitt vom „Tuckett“ bis zum Hotel Madatsch, den wir nun endlich fertigbauen können und den man als schönen Panoramaweg bezeichnen darf.
Wenn man außerhalb der Saisonzeiten nach Trafoi kommt und sich etwas umschaut, hat man nicht gerade den Eindruck, sich in einem aufstrebenden Dorf zu befinden.
Ohne das Skigebiet stünde Trafoi im Winter tatsächlich arm da. Bedauerlich ist unter anderem, dass das Hotel Post in Trafoi schon seit Jahren geschlossen ist. In der Nähe des Hotels Bella Vista, wo derzeit die zum Hotel gehörige Villa Thöni steht, soll 2025 ein neues Hotel entstehen, was sehr zu begrüßen ist.
Wie sehen Sie die Zukunft des Skigebietes Sulden und des kleinen Skigebietes in Trafoi?
Der Weiterbestand des Skigebietes in Trafoi ist für die Zukunft des Dorfes unerlässlich. Was wir in Sulden dringend brauchen, ist der Bau der Hintergratbahn mit Skipiste als letztes Glied im Rahmen des Projektes „Ortler Ronda“, das auf ein rundes, geschlossenes Skikarussell abzielt. Für Sulden ist dieses Vorhaben, gegen das sich italienische Umweltverbände wehren, überlebenswichtig und es wird alles getan, damit es realisiert werden kann. Im nächsten Jahr soll übrigens der Sessellift Langenstein durch eine moderne Kabinenbahn ersetzt werden und zwar nach dem Muster der Rosim-Bahn auf der gegenüberliegenden Talseite.
Über die Aufwertung der Passstraße auf das Stilfser Joch wird seit vielen Jahren gesprochen. Wann wird endlich konkret Hand angelegt?
Nach einer längeren Anlaufzeit hoffen wir sehr, dass im nächsten Jahr mit dem Bau von Parkplätzen auf dem Pass und weiteren öffentlichen Strukturen begonnen werden kann. Roland Brenner, der Präsident der Gesellschaft „Stilfserjoch GmbH“ setzt sich dafür federführend ein. Das Stilfser Joch soll insgesamt attraktiver gestaltet werden. Ebenso ist geplant, die Festung in Gomagoi in ein Besucherzentrum umzugestalten und mit verschiedenen Einrichtungen aufzuwerten. Der zuständige Landesrat Christian Bianchi hat unlängst zugesichert, dass für dieses Projekt mit Landeszuschüssen in Höhe von rund 7 Millionen Euro zu rechnen sei.
Bei der Eröffnung der Fahrrad-Aufstiegspur von Prad bis Stilfser Brücke hat es geheißen, dass die Aufstiegsspur bis Gomagoi weitergebaut wird. Wann wird es soweit kommen?
Auch bei diesem Vorhaben gehen wir davon aus, dass die Aufstiegsspur 2025 bis Gomagoi weitergebaut wird. Das ist ein sehr wichtiges Projekt. Rund eine Million Euro fließen über den Nationalpark in das Vorhaben, für den Rest hoffen wir auf die Unterstützung des Landes.
Im Wallfahrtsort Heilige Drei Brunnen kommt es immer wieder zum Abgang gewaltiger Muren. Wie könnte dieses Problem dauerhaft gelöst werden?
Eine dauerhafte Lösung ist schwierig. Nach den jüngsten Vermurungen mussten wir die Straße erneut mit beträchtlichen Geldmitteln instandsetzen, damit das Material abtransportiert werden kann. Die Brücke zum Wallfahrtkirchlein, die wir erst heuer im Frühjahr mit Hilfe der Forstbehörde und weiterer Partner erneuert haben, blieb dieses Mal zum Glück weitgehend unbeschadet. Was in der Örtlichkeit Heilige Drei Brunnen in Zukunft geschehen wird, weiß niemand. Nur Gutes ist sicher nicht zu erwarten, denn es warten oben noch Unmengen an Material, die bis ins Tal kommen könnten.
Wie weit ist die Gemeinde mit der Erstellung des Gefahrenzonenplans und des Gemeindeentwicklungsprogramms?
Der Gefahrenzonenplan ist erstellt. Wir haben ihn für die Begutachtung bzw. Genehmigung an die zuständigen Landesstellen weitergeleitet. Beim Gemeindeentwicklungsprogramm befinden wir uns zusammen mit den Gemeinden Prad und Laas, mit denen die Gemeinde Stilfs eine „funktionale Einheit“ bildet, erst in der Anfangsphase.
Welche sind die häufigsten und brennendsten Anliegen und Probleme, mit denen die Bevölkerung aus dem gesamten Gemeindegebiet zur Gemeindeverwaltung bzw. in das Rathaus kommt?
Worüber zum Beispiel nicht selten geklagt wird - und das nicht ohne Grund - ist die Verkehrsbelastung, zu der es vor allem im Hochsommer in Trafoi und entlang der Passstraße kommt. Im Vorjahr sind einmal zu nächtlicher Stunde rund 500 Harley-Davidson Motorräder auf den Pass gefahren und verursachten einen Höllenlärm. Auch „Rennfahrten“ von Luxusautos hat es gegeben. Um derartigen Unfug zu unterbinden, führt die Ortspolizei schon seit einiger Zeit vermehrt Kontrollen durch.
Von welchen Vorhaben und Projekten können Sie im Rückblick auf die vergangenen 4 Jahre sagen, dass es der Verwaltung gelungen ist, Nägel mit Köpfen zu machen?
Ein Großprojekt, das 2025 abgeschlossen wird, ist der Abwasserhauptsammler von Sulden bis Prad. Wo derzeit die Kläranlage in Sulden steht, können in Zukunft Räume für Vereine von Sulden sowie für die Gemeinde errichtet werden. Mit dabei ist die Gemeinde auch beim geplanten Bau des neuen Seniorenwohnheims in Schluderns und dem Pilotprojekt „Betreutes Wohnen Plus“ in Prad. Ein Herzensanliegen war mir persönlich die dringend notwendige energetische Sanierung des Zivilschutzgebäudes in Sulden. Der Sektionssitz des Weißen Kreuzes wurde erneuert und neu eingerichtet. Die Arbeiten sind so gut wie fertiggestellt, sodass wir am 30. November nicht nur das 50-jährige Bestehen des Weißen Kreuzes Sulden feiern können, sondern auch den Abschluss der Arbeiten.
Wie steht es um die Abwanderung in Ihrer Gemeinde?
Vor einiger Zeit ging die Einwohnerzahl noch laufend zurück, seit einigen Jahren ist sie Gott sei Dank mehr oder weniger konstant.
Wie lebendig ist das Vereinsleben in der Gemeinde Stilfs?
Wir haben viele und sehr rührige Vereine, die aus den Dörfern nicht wegzudenken sind. Stark verwurzelt sind auch die zum Teil einzigartigen Bräuche, wie etwa das „Pfluagziachn“ oder „Klosn“ in Stilfs. Erst gestern hat sich eine 8-köpfige Gruppe aus Nordtirol bei mir erkundigt, wann heuer das „Klosn“ stattfindet. Heuer fällt das „Klosn“ auf den Samstag, 7. Dezember. Das ganze Dorf steht jedes Jahr am Samstag vor oder nach dem Nikolaustag im Zeichen des „Klosns“.