Sanität: öffentlich oder privat?
Schlanders - Um die „Gesundheit des öffentlichen Gesundheitssystems“ ging es kürzlich beim 6. ff-talk in der BASIS in Schlanders. Mit der Behauptung „150 Tage dauert die Wartezeit für eine neurochirurgische Visite im öffentlichen Gesundheitsdienst, 280 Tage sogar für eine beidseitige Mammographie“, eröffnete ff-Direktorin Verena Pliger als Moderatorin diese 6. Diskussionsrunde des Wochenmagazins ff. Am Podium begrüßte sie Alexander Gardetto, den ärztlichen Leiter der Privatklinik Brixsana in Brixen, Sonja Prader, Primarin der Gynäkologie am Krankenhaus Brixen und Rupert Waldner, Generaldirektor in der Melittaklinik in Bozen. Im Publikum saßen Ärztinnen und Ärzte, Sanitätspersonal und viele interessierte Menschen, denen die Zukunft unseres Gesundheitssystems ein Anliegen ist.
Es braucht ein Prämiensystem
Nach seinen Gründen befragt, wieso er im Jahr 2016 das Krankenhaus Brixen verlassen habe, berichtete der gebürtige Marteller Alexander Gardetto vom schwerfälligen System, das ihn völlig entmutigt habe und auch von der fehlenden Wertschätzung von Seiten des Sanitätsbetriebes. „Die Kollektivverträge sind in Ordnung, aber besondere Leistungen werden nicht honoriert“, so Alexander Gardetto. Dies bestätigten auch die beiden anderen Diskussionsteilnehmer: „ Ich sage oft, ihr müsst die Leute prämieren, wenn sie gut arbeiten, und wenn sie weniger tun, die richtige Arbeit für sie schaffen“, so Rupert Waldner. „Es braucht ein Prämiensystem, denn leider gibt es immer wieder Kolleginnen und Kollegen, die nicht ihr ganzes Potential nutzen“, so die Primaria am öffentlichen KH in Brixen. „Dennoch muss ich sagen, im Gesundheitssystem arbeiten Profis, die sich dem Idealismus verschrieben haben. Leider glaubt ein Teil der Bevölkerung, nur im privaten Dienst arbeiten gute Ärztinnen und Ärzte, und im öffentlichen sind die, die übrig bleiben. Das stimmt nicht!“, so Sonja Prader.
Öffentliche Hand Konkurrenz für Private
Auf die Frage, ob Ärztinnen und Ärzte in privaten Strukturen besser bezahlt würden, antwortete Rupert Waldner: „ Die öffentliche Hand ist eine große Konkurrenz für uns private Kliniken, denn wir haben die nationalen Kollektivverträge. Auch wir haben Schwierigkeiten, qualifiziertes Personal zu finden.“ Dass die Bezahlung in Deutschland, wo sie lange praktiziert habe, im Vergleich zu Südtirol viel besser sei, bestätigte Sonja Prader. Hinzu kommen in Südtirol die hohen Lebenshaltungskosten und der fehlende, bezahlbare Wohnraum für rückkehrende Medizinerinnen und Mediziner. „Trotzdem bin ich gerne im öffentlichen Gesundheitssystem. Langfristig steckt in mir immer die Idee von Innovation und von Kooperationen. Diese pflegen wir mit unterschiedlichen Kliniken im Ausland“. Auch in Fortbildung und in eine grandiose Ausbildung werde sehr viel investiert und es gebe interne Karrieremöglichkeiten, so Sonja Prader.
Privileg Gesundheit?
Ist das Recht auf Gesundheit ein Privileg für die, die es sich leisten können? Gibt es eine Zweiklassenmedizin? So lautete die Frage von Moderatorin Verena Pliger. „Bis zum Jahr 2015 war Südtirol mit 2,5 Prozent Marktanteil das Schlusslicht in puncto Privatkliniken; jetzt beträgt der Marktanteil an privaten Strukturen 8 Prozent“, bestätigte Rupert Waldner, da könne man nicht von einer Zweiklassenmedizin reden. Der Sanitätsbetrieb habe gute Konventionen mit privaten Kliniken, das habe man auch während der Pandemie feststellen können, sagte Alexander Gardetto, und Banken und Versicherungen böten inzwischen günstige Krankenversicherungen, die in nächster Zukunft nicht großen Preissteigerungen unterliegen dürften, wie Rupert Waldner es behauptete.
„Unser Ziel ist ein Nebeneinander“
Für Alexander Gardetto sollten die Privatkliniken ein Gewinn für den Sanitätsbetrieb sein. Gardetto, der auch einen Vertrag im Krankenhaus Bozen hat, erinnerte an die Möglichkeiten im öffentlichen System, sehr komplexe Operationen durchführen zu können. „Das ist ein Manko in der Privatwirtschaft; daher wird der Anteil bald gesättigt sein.“ Die privaten Strukturen sollten die Angebote abdecken, für die im öffentlichen System die Wartezeiten zu lange sind und sie sollten der öffentlichen Hand diverse Leistungen anbieten.
„Es menschelt halt“
Mit sieben Krankenhäusern auf 500.000 Einwohner stehe Südtirol gut da, sagte Sonja Prader zum Abschluss. „Wir sollten sehen, was gut läuft, uns gute, erfolgreiche Geschichten erzählen und nicht dauern kritisieren und herum jammern. Wir sollten sagen, es passt, und sonst tuts menschelen“.