Sanieren statt abreißen
Der Kernbau des Hauses „Honnaslan“ in St. Valentin bleibt erhalten. Siegerprojekt ist ermittelt. 6 geförderte Wohnungen.
St. Valentin a.d.H. - Einfach abreißen und neu bauen: von dieser vorherrschenden Denkweise verabschiedet hat sich die Gemeinde Graun bei der Nachnutzung des „Honnaslan“-Hauses in St. Valentin auf der Haide. „Auch wir dachten zunächst an einen Abriss, haben uns dann aber entschieden, einen Planungswettbewerb auszuschreiben, und zwar mit der Vorgabe, dass der historische Kernbau erhalten werden soll“, schickte Bürgermeister Franz Prieth am 26. Juni im Kulturhaus in St. Valentin voraus, wo alle 9 eingereichten Projekte mitsamt Modellen besichtigt werden konnten und die 3 Erstgereihten vor zahlreichem Publikum vorgestellt wurden. Auf den historischen Wert des „Honnaslan“-Hauses, das zur Gruppe der „Oberen Häuser“ gehört, hatte die Architektin Susanne Waiz bereits im November 2022 hingewiesen, als der Gemeinderat ausführlich über die Ausschreibung des Wettbewerbes informiert wurde.
Historisch wertvolle Bausubstanz
Nachforschungen und Untersuchungen hatten ergeben, dass das Wohn- und Wirtschaftsgebäude historischen Wert haben und sich zum Teil in einem guten Erhaltungszustand befinden. Wie Susanne Waiz im Kulturhaus ausführte, sei auch die originale Innenausstattung zum Teil erhalten geblieben, denn das Haus „Honnaslan“ ist bei beiden Großbränden, die es in St. Valentin in den Jahren 1857 und 1945 gegeben hat, verschont geblieben. Um die Entstehung des Hauses und speziell die Baugeschichte zu erforschen, hatte sich Susanne Waiz nicht nur an den ortskundigen Fachmann Othmar Pider gewandt, der einen Stammbaum der Hausbesitzer erstellte, sondern auch an Martin Laimer (Bauforschung), David Fliri (Recherche in Archiven) und Simon Laganda (Vermessung). „Das Haus hat nachweislich schon 1834 bestanden und wurde auf den Resten eines Vorgängerbaus errichtet“, sagte Susanne Waiz, die Koordinatorin des Wettbewerbs. Grundsätzlich hielt sie fest, dass es angesichts der allgemeinen Ressourcenknappheit, auch im Bausektor, an der Zeit sei, „jedes Haus vor dem Abriss anzuschauen und zu erwägen, ob es tatsächlich abgebrochen werden muss oder ob es ganz oder teilweise erhalten werden kann.“
„Was lassen wir für die Nachkommen übrig?“
In der vorindustriellen Zeit sei über Jahrhunderte hinweg immer wieder adaptiert, angepasst, zu- und weitergebaut worden. Jetzt seien neue Prämissen zu setzen: „Wir müssen uns fragen, was wir für die Nachkommen übriglassen.“ Auch nach Ansicht des Bürgermeisters hätten es sich das „Honnaslan“-Haus und das Dorf verdient, „hier näher hinzuschauen, bevor ein wertvoller Baubestand für immer verloren geht.“ Für ihn sei die Abwicklung des Wettbewerbes ein spannender Lernprozess gewesen. Susanne Waiz sprach von einer „insgesamt sehr hohen Qualität“ aller 9 Projekte. Begutachtet und bewertet wurden sie im Rahmen einer ganztägigen Sitzung einer 5-köpfigen Jury, in der neben Franz Prieth auch Barbara Verdorfer (Architektin), Andreas Folie (Architekt), Rosa Sigmund (Architektin im Amt für Bau- und Kunstdenkmäler) und Kurt Egger (Architekt) mitarbeiteten. Gewonnen hat den Wettbewerb das Architekturbüro Sylvia Dell’Agnolo und Egon Kelderer aus Bozen mit ihrem Mitarbeiterteam Samuel Zwerger, Ulrike Prinoth, Rosella Russolillo und Moses Alm. Wie Samuel Zwerger bei der Projektvorstellung ausführte, bleiben die Mauern und Öffnungen des Hauses erhalten. Neu seien lediglich ein Treppenhaus mit Aufzug sowie ein kleiner Zubau. Auch die Rauchküche bzw. deren Gewölbe bleibt erhalten.
„Unspektakulärer, harmonischer Baukörper“
Die Jury schrieb zum Siegerprojekt: „Durch einen präzisen Eingriff entsteht ein unspektakulärer, harmonischer Baukörper, an dem Wohnhaus, ehemaliger Stadel und neuer Zubau gut ablesebar sind. In Bezug auf den Städtebau ist die Lösung gelungen, das Ensemble der ‚Oberen Häuser’ bleibt erhalten.“ Durch den Erhalt des historischen Wohngebäudes in seiner vollen Höhe komme dessen Bedeutung im Dorfgefüge zur Geltung. Auch die Erhaltung des historischen Stallraumes mit der Holzdecke wird positiv bewertet. Der zweite Preis ging an das Projekt von Carlo Calderan aus Bozen (Cez Calderan Zanovello Architetti) und der dritte an die heimischen Architekten Fabian Oberhofer und Lukas Wielander. Fabian Oberhofer und weitere Architekten und Architektinnen lobten die Vorgangsweise der Gemeinde, für die Nachnutzung des „Honnaslan“-Hauses einen Planungswettbewerb ausgeschrieben zu haben. „Das ist eine Vorzeige-Wettbewerb nach dem Motto ‚Erhalt statt Abriss’“, freute sich Oberhofer.
Interessenten können sich melden
Zur weiteren Vorgangsweise hielt der Bürgermeister fest, dass das Architekturbüro Sylvia Dell’Agnolo und Egon Kelderer nun den Planungsauftrag für die Sanierung des gemeindeeigenen „Honnaslan“-Hauses erhalten wird. Es ist geplant, insgesamt 6 geförderte Wohnungen zu schaffen: 4 mit einer Größe von über 100 Quadratmetern für Familien und 2 kleinere. Franz Prieth hofft, dass sich nun genug Interessenten finden, die in Zukunft in diesen historischen Gemäuern wohnen möchten. Interessierte sollten sich alsbald bei der Gemeinde melden, um ihre Wünsche und Anregungen bereits im Zuge der Einreichplanung vorbringen zu können. Die Gemeinde beabsichtige, „die Arbeiten bis zu den Unterböden selbst in Auftrag zu geben.“ Die Baukosten dürften sich auf ca. 1,2 Mio. Euro belaufen. Die Bauwerber können mit Beiträgen rechnen, wie sie für den geförderten Wohnbau vorgesehen sind. Detail am Rande: „Honnaslan“ heißt das Haus im Volksmund deshalb, weil etliche Vorbesitzer bzw. Bewohner den Vornamen Johann trugen.