Caroline Linhart
Peter Clausing
Lino Wegher
Fiorella Belpoggi
Ingrid Karlegger

Nicht schlecht, aber noch nicht gut genug

Pestizid-Monitoring in Südtirol soll verbessert werden

Publiziert in 15 / 2021 - Erschienen am 29. April 2021

Südtirol/Vinschgau - Um die tatsächliche Belastung erfassen zu können, sollte die Methodik des Pestizid-Monitorings der Südtiroler Sanitätsbetriebes verbessert werden. Das zeigte sich beim Webinar „Pestizid-Monitoring in Südtirol: Hinweise für eine chronische Belastung?“, zu dem kürzlich die Umweltschutzgruppe Vinschgau (USGV) in Zusammenarbeit mit 8 Umweltorganisationen eingeladen hatte: Dachverband für Natur- und Umweltschutz, WWF Bozen, ISDE Sezione provincia di Bolzano (Vereinigung der Umweltärzte), Initiativgruppe Unterland, hyla – Umweltgruppe Eisacktal, Umweltgruppe Andrian, Umweltgruppe Kaltern und Umweltschutzgruppe Terlan. Die USGV hatte die Umweltwissenschaftlerin Caroline Linhart beauftragt, die Daten zu den Pestizid-Rückständen auf Spielplätzen von 2020 mit jenen von 2018/2019 zu vergleichen. Laut Linhart ist die Aussage von Landesrat Arnold Schuler vom Oktober 2020, wonach die verschiedenen nachgewiesenen Wirkstoffe 2020 gegenüber 2018/2019 um mehr als zwei Drittel gesunken sind, zwar richtig, jedoch ortete sie Mängel und Lücken in der Konsistenz der Methodik des Monitorings. Es seien nicht immer gleich viele Spielplätze zu allen Jahreszeiten untersucht worden. Von den 37 beprobten Spielplätzen im Jahr 2020 würden nur 45% mit den Probeorten von 2018/2019 übereinstimmen. Grasproben würden außerdem den Umfang der Abdrift nicht vollständig erfassen. Linhart wartete mit einer Reihe von Verbesserungsvorschlägen auf und plädierte für ein vollständiges, objektives und unabhängiges Monitoring. Ein Monitoring sollte Risikoplätze identifizieren und mit Maßnahmen schützen. Als mögliche Maßnahmen nannte sie Warnschilder, höhere und breitere Hecken, größere Abstände zu Agrarflächen und Verringerung bzw. Stopp des Einsatzes chemisch-synthetischer Planzenschutzmittel. Dass die Risiken und Auswirkungen durch die Anwendung von Pflanzenschutzmitteln für Mensch und Umwelt verringert werden müssen, ist spätestens seit dem Inkrafttreten der EU-Richtlinie zur nachhaltigen und sicheren Anwendung von Pflanzenschutzmitteln aus dem Jahre 2009 bekannt. Italien hat diese Richtlinie 2012 mit dem Nationalen Aktionsplan (NAP) umgesetzt. Eines der Ziele des NAP ist es, die Verwendung von Pflanzenschutzmitteln auf Agrarflächen, in deren Nähe sich sensible Personengruppen (Kinder, schwangere Frauen, ältere Menschen ...) häufig aufhalten, zu verringern. In Südtirol werden erst seit 2018 vom Sanitätsbetrieb die Pestizid-Rückstände auf öffentlichen Spielplätzen untersucht. Der Toxikologe Peter Clausing aus Deutschland widerlegte mit Verweisen auf die EU-Datenbank eine Feststellung im Monitoringbericht 2020, wonach krebserregende, erbgutschädigende sowie die Fortpflanzung schädigende Wirkstoffe nicht im Umlauf seien. Lino Wegher, der Verantwortliche des Monitorings, wies Clausings Behauptungen und weitere Kritikpunkte zurück. „Wir arbeiten täglich für die Gesundheit und die Gesundheitsvorsorge. Wir machen das seriös und unabhängig“, so Wegher. Es sei eine Beleidigung, „uns vorzuwerfen, dass wir nicht unabhängig arbeiten.“ Wenn das Monitoring schon nicht wertgeschätzt werde, „reden wir mit dem Landesrat Schuler, lassen alles sein und tun gar nichts mehr. So wie es im restlichen Italien der Fall ist.“ Die Leiterin des Krebszentrums des Ramazzini-Instituts in Bologna, Fiorella Belpoggi, ging auf neueste Studien ein, wonach auch Mengen unter den Grenzwerten gefährliche Auswirkungen auf die Gesundheit haben können. „Es ist nicht angebracht, Alarm zu schlagen, aber es gibt berechtigte Sorgen.“ Belpoggi rief zur Zusammenarbeit aller auf: „Es geht darum, die Anwender von Pflanzenschutzmitteln zu schützen und die Bevölkerung.“ Auch kleine Dosen hormonaktiver Substanzen könnten negative Auswirkungen haben. Nicht vollständig erforscht seien zurzeit auch mögliche Kombinationseffekte. Die Vorsitzende der USGV, Ingrid Karlegger, rief im Anschluss eine teils lebhafte und kontroverse Diskussion die Verantwortlichen dazu auf, Verbesserungsvorschläge für das künftige Monitoring aufzunehmen und das Forschungsdesign an wissenschaftlichen Standards auszurichten. Das Webinar, an dem über 80 Personen teilnahmen und das mit Unterstützung der Urania Meran abgehalten wurde, steht als Filmaufnahme auf der Homepage der USGV (http://umweltvinschgau.wordpress.com) zur Verfügung. Für den 14. Mai kündigte Karlegger ein zweites Webinar an, bei dem das Thema „Biodiversitätsverlust und Pestizide“ im Mittelpunkt stehen wird.

Josef Laner

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