Mit Herz für die Peripherie
Bürgerversammlung mit Landeshauptmann Arno Kompatscher in Martell.
Martell - „Fein, dass man zur Bürgerversammlung laden kann und es kommen so viele.“ Bürgermeister Georg Altstätter war positiv angetan. Vor mehr als 130 Martellerinnen und Martellern gaben er und seine Referenten Rechenschaft und Ausblick. Hauptattraktion war erwartungsgemäß der Auftritt von Landeshauptmann Arno Kompatscher.
Nach Hinweisen auf die anstehenden Gemeinderatswahlen fasste Bürgermeister Altstätter im Schnelldurchlauf die wichtigsten Vorhaben zusammen. Von der Wohnbauzone Kirchacker war die Rede und vom Langzeitparken vor dem Rathaus. Die Leader-Projekte Museum bei Zufall, Almenweg Zufall – Pederhöf und Marmorrundwanderweg im Ortlergebiet kamen ebenso zur Sprache wie der Wunsch nach einer Anbindung an den Radweg. Sein Stellvertreter, Josef Maschler, referierte ausgiebig über die Schäden an den Marteller „Lebensadern“, den Straßen, über die Unterstützung durch die Ämter Zivilschutz und Bergwirtschaft, über die Situation der Almen und das brennende Thema Großraubwild. „Mehr noch als die Landwirtschaft, dürfte der Tourismus vor allem durch den Wolf unter die Räder kommen“, meinte er. Patrizia Wachter berichtete über neue Betreuungszeiten in der Kita, über die Notwendigkeiten, die Schule behindertengerecht zu machen, und erinnerte an den Erlebnisspielplatz auf Stallwies. Andreas Rieder verwies auf erfolgreiche Shuttle-Dienste, auf den unterbelegten Nightliner, auf überfüllte Busse nach Hintermartell, neue Bushaltestellen und neue Führung Im Jugendraum. Referent Roland Schwienbacher befasste sich mit Erhöhung der Trinkwassertarife, mit Kanalisierung und der Verlegung von Strom- und Glasfaser-Leitungen. Die Fest- und Freizeitanlage Trattla sei inzwischen eine Bereicherung fürs Tal. Im Biathlon-Zentrum seien Anpassungen vorzunehmen; der Recyclinghof werde kundenfreundlicher gemacht.
Perspektiven bieten
Landeshauptmann Arno Kompatscher zeigte sich überzeugt, dass die Landesregierung an dem gemessen wird, was sie in der Peripherie leistet. Südtirol sei nur deswegen so schön, so erfolgreich und so lebenswert, wenn es weiterhin gelinge zur Lebensqualität der Bewohner beizutragen. „Jeder Cent ist gut investiert, der in den ländlichen Raum geht“, erklärte er. „Dort müssen wir auch mehr tun als anderswo. Wir können daher nicht das ganze Land über einen Kamm scheren“, meinte er. Er ging näher auf die Unwetterereignisse im November 2019 ein. 1 Million Euro seien für Lawinenverbauungen in Martell vorgesehen.
Landeshauptmann Kompatscher sah in Martell einen stabilen Standort für Biathlon, erinnerte an Ausnahmeregelungen im Bereich Wohnbau, an einen Kompromiss im Trinkwassertarif und kam sogar auf „ein verlassenes Hotel“ zu sprechen als Möglichkeit der Tourismusförderung. „Es ist meine Botschaft an euch, gemeinsam mit der Gemeinde jungen Menschen eine Perspektive geben“, rüttelte er auf. Es brauche Menschen, die anpacken und was tun. Kompatscher streifte die Landespolitik, das Vereinswesen und den Zusammenhalt der Menschen in Katastrophenzeiten. Zu erwarten sei ein „Riesenproblem“ durch den Auftritt des Wolfes. Er erklärte die Entscheidungsfindung der Politiker in Rom weit entfernt vom Hausverstand und abhängig von der Angst, Stimmen zu verlieren. Ein Landesgesetz, bei dem es um den Schutz der traditionellen Almen gehe, sei erfolgreich verteidigt worden. Niemand dürfe sich aber einbilden, dass es noch einmal ein wolffreies Südtirol geben werde.
Nationalpark ist Mehrwert
Zum Thema Nationalpark Stilf-ser Joch räumte Kompatscher ein, dass es „seit dem Übergang an das Land“ kompliziert geworden sei. Man habe einer überholten Parkordnung eine neue übergestülpt und jetzt stünde man in einer Zwischenphase. Nach langer Vorarbeit zusammen mit den Gemeinden sei man nun dabei, Bestimmungen zu erlassen, mit denen der Park nicht mehr als Belastung empfunden werde. „Ich glaube, er kann ein Mehrwert werden auch für die wirtschaftliche, soziale und kulturelle Entwicklung. Er kann Aufbruchsstimmung schaffen. Den Park nützen heißt, dass die Menschen darin leben und sich entwickeln können“, zeigte sich Kompatscher überzeugt.
Überraschend besorgt gaben sich die Marteller über die abnehmenden Italienischkenntnisse. Sie warfen die Themen Arbeitssicherheit auf, die mangelnde Vernetzung in der Sanität und die endlosen Wartezeiten in den Krankenhäusern. Ihren Verwaltern stellten sie durchwegs positive Zeugnisse aus, zeigten sich aber besorgt über den Rückgang der Sprechstunden und damit der ärztlichen Betreuung. Damit das Ehrenamt nicht unter die Räder komme, müsse man handeln und den Vereinen belastende Bürokratie abnehmen. Ein Bürger stellte eine gewisse Planlosigkeit im öffentlichen Verkehr fest. Man hoffte auf die Solidarität der Landesregierung in Sachen Biathlonstandort Martell. Landeshauptmann Kompatscher versuchte auf alle Fragen einzugehen. Man sei dabei, Italienisch in Südtirol nach dem Konzept einer Fremdsprache zu vermitteln. Für das „bürokratische Monster“ Arbeitssicherheit“ würden ebenso die Kompetenzen fehlen wie bei der Lehrlingsausbildung.
Dass man in der Sanität die Digitalisierung verschlafen habe, liege am Südtiroler Bezirksdenken; jeder mache in seinem Bezirkskrankenhaus sein Ding. Allgemeinmediziner zu Sprechstunden zu verpflichten, funktioniere nicht, weil sie Freiberufler mit Vertrag seien. Durch den Ärztemangel herrsche derzeit keine Konkurrenzsituation. Den Satz des Landeshauptmannes zu später Stunde: „Wir stehen zum Standort Martell“, wird man sich im Bürgerhaus von Martell einprägen.