Die angehenden Kinästhetik-Trainern/innen Gabriel Wunderer, Barbara Blaas und Sara Tarneller mit Sibille Tschenett (rechts), Direktorin der Wohn- und Pflegeheime in Laas und Schluderns sowie Koordinatorin von Kinaesthetics-Netzwerk-Vinschgau,

„Lernen, mit den schlechten Karten gut zu spielen“

Publiziert in 23 / 2016 - Erschienen am 15. Juni 2016
Kinästhetik-Ausbildung trägt Früchte. Bewegungskompetenz schafft Lebensqualität. Mehr Ausbildung für pflegende Angehörige angeregt. Laas - Die Kinästhetik (der ­englische Terminus heißt Kinaesthetics) ist die Lehre von der Bewegungsempfindung. Die Wahrnehmung der eigenen Bewegung wird als zentraler Weg zur ganzheitlichen Gesundheitsförderung betrachtet. Das klingt zwar recht kompliziert und theoretisch, aber wenn die Grundsätze der Kinästhetik in der Pflege von älteren oder bewegungseingeschränkten Menschen angewendet werden, lassen sich große Erfolge erzielen. Aufgezeigt wurde dies am 7. Juni bei einem gut besuchten Informationsabend zum Thema „Bewegungskompetenz schafft Lebensqualität“ im Wohn- und Pflegeheim in Laas. Kinaesthetics-Netzwerk-Vinschgau Der Info-Abend war eine Gemeinschaftsinitiative von Kinaesthetics-Netzwerk-Vinschgau und der Sozialdienste der Bezirksgemeinschaft. Seit 2003 werden im Wohn- und Pflegeheim in Laas Ausbildungskurse und Schulungen in Kinästhetik angeboten. „Die Kurse wurden auch auf ambulante Dienste und umliegende Strukturen ausgedehnt“, freute sich ­Sibille Tschenett, die Direktorin der Wohn- und Pflegeheime in Laas und Schluderns. Insgesamt seien bisher über 150 Pflegekräfte in verschiedenen Stufen ausgebildet worden. Karin Tschurtschenthaler, die Direktorin der Sozialdienste, dankte Sibille Tschenett für den Aufbau der Kinästhetik-Ausbildung im Vinschgau. Neben Grund- und Aufbaukursen wurden bisher auch „Peer-Tutoren“ ausgebildet. Zurzeit läuft eine Trainer-Ausbildung der Stufe 1. Stefan Knobel, Krankenpfleger, Pflegeexperte und Kinaesthetics-Ausbildner aus der Schweiz, verwies in seinem Referat auf die Notwendigkeit neuer Technologien und Denkweisen in der künftigen Gesundheitsversorgung, besonders in der Betreuung und Pflege der alternden Bevölkerung. „Den Betreuten so helfen, dass sie sich selbst helfen können“ Die Kinästhetik sei dabei von besonderer Bedeutung. Es gehe - einfach gesagt - darum, den zu betreuenden bzw. pflegenden Menschen „so zu helfen, dass sie sich selbst helfen können.“ Es komme vor allem darauf an, „wie ich helfe.“ Der gute Wille allein nütze wenig: „Es braucht Kompetenz und die kann man sich aneignen.“ Angesichts der zunehmenden Alterung der Bevölkerung spiele zunehmend auch der Kostenfaktor eine Rolle. Die allermeisten älteren Menschen wollen möglichst lange selbstständig bleiben, in ihren eigenen vier Wänden wohnen und niemandem zur Last fallen. Mit kompetenz­orientierten Betreuungsmodellen kann es laut Knobel gelingen, „die Altersversorgung neu zu orientieren, sprich den Bedarf an ­stationären Leistungen zu senken.“ Dies könnte auch zur Einsparung von Kosten führen. Es gebe viele Möglichkeiten, die Qualität des Alltags betreuter Menschen mit Hilfe gelernter Bewegungskompetenz zu verbessern. „Wir müssen lernen, mit den schlechten Karten gut zu spielen.“ Wie schon Knobel, rief auch Jakob Reichegger, Kinaesthetics-Trainer der Stufe 3, dazu auf, dass pflegende Angehörige, die nicht selten überlastet sind und die eigenen Grenzen überschreiten, mehr Ausbildung und auch anderweitige Hilfestellungen brauchen. Sie seien nicht selten auf sich allein gestellt. „Pflege ist eine schwere Arbeit. Pflege muss man lernen. Die Kompetenz, wie wir sie bei den professionellen Diensten und Stellen vorfinden, ist bei der Pflege zu Hause oft nicht gegeben“, so Reichegger. Pflegende Angehörige brauchen mehr Ausbildung Er regte gezielte Ausbildungsangebote für pflegende Angehörige an. Auch Selbsthilfegruppen auf Gemeindeebene könnten hilfreich sein. Die Pflege sei zudem ein ­Thema, das die ganze Gesellschaft betrifft. Es gelte, unter den pflegenden Angehörigen, die keine Lobby haben, ein Netzwerk aufzubauen. Welche erstaunlichen Fortschritte mit der Anwendung von Grundsätzen der Kinästhetik in der Betreuung und Pflege gelähmter bzw. bewegungseingeschränkter Menschen erreicht werden können, zeigten die angehenden Trainer/innen der Stufe 1, Gabriel Wunderer, Barbara Blaas und Sara Tarneller, anhand konkreter Fallbeispiele auf. Sie führten auch Kurzfilme über die erzielten Fortschritte vor. Erstaunliche Ergebnisse Das Resümee des Kinaesthetics-Projekts „Movitas“: dank der Bewegungskompetenz kann einerseits die Lebensqualität der betreuten Menschen gesteigert, und andererseits auch die Pflegearbeit erleichtert werden. Es sollte in den Wohn- und Pflegeheimen versucht werden, alte Muster abzulegen und neue Wege zu gehen. „Gelähmt heißt nicht, dass keine Bewegung mehr möglich ist. Und auch bei ‚austherapierten’ Personen ist vieles möglich.“ Aufmerksam mitverfolgt haben die Ausführungen der Referenten und Trainer u.a. auch Roselinde Gunsch Koch, Bürgermeisterin von Taufers und Verantwortliche für Interreg-­Projekte im Ausschuss der Bezirksgemeinschaft Vinschgau, sowie Martin Schönauer vom Landesamt für Senioren. Derzeit absolvieren insgesamt 17 Mitarbeiter/innen aus allen Landesteilen sowie eine Mitarbeiterin aus dem Tessin die Trainer-Ausbildung der Stufe 1. sepp
Josef Laner

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