Kritik an Ausbau von Viehtriebweg
Umweltschutzgruppe Vinschgau befürchtet „massive Eingriffe“ in Martell. Bürgermeister Georg Altstätter kontert.
Martell - „Außerordentliche Instandhaltung und Neutrassierung von Teilstücken des Viehtriebweges zur Unteren Flimalm“: So nennt sich das Projekt, mit dem die Gemeinde Martell laut Bürgermeister Georg Altstätter vor allem ein Ziel verfolgt, nämlich den Erhalt der Unteren und auch Oberen Flimalm. Die Flimalmen befinden sich auf der Nörderseite hoch über Gand bzw. Ennewasser. Kritik am Vorhaben, speziell was den oberen Teil des Weges betrifft, kommt von der Umweltschutzgruppe Vinschgau (USGV). „Es waren Bürger aus Martell, die uns im Vorjahr auf das Projekt aufmerksam machten“, stimmten der Vorsitzende der USGV, Josef Gruber, sein Stellvertreter Karl Zerzer und das frühere Vorstandsmitglied Albert Pritzi kürzlich in einem Gespräch überein. Im Sommer 2024 habe es einen Ortsaugenschein gegeben sowie eine Aussprache mit dem Marteller Bürgermeister und dem für Land- und Forstwirtschaft zuständigen Gemeindereferenten Andreas Eberhöfer.
„Unverhältnismäßige Eingriffe“
Während man mit dem ersten Baulos, sprich der Errichtung eines Traktorweges im unteren Teil, noch einigermaßen einverstanden sein könne, sprechen die Umweltschützer bezüglich des noch nicht umgesetzten zweiten Bauloses, das den Ausbau des Viehtriebweges bis unterhalb der Unteren Flimalm vorsieht, „von unverhältnismäßigen und massiven Eingriffen“ in die Landschaft. Es sei nämlich geplant, „das 30 bis 35 Prozent steile Gelände mit 20 Serpentinen durch die Abstützung mit Zyklopenmauern zu überwinden.“ Es sollen entlang einiger Teilstücke sowohl talseitig als auch bergseitig Stützmauern mit einer Höhe von bis zu 2,6 Metern errichtet werden. Um die angestrebte Wegbreite von 1,5 Metern zu erreichen, sei es notwendig, während der Bauphase einen breiten Weg zu graben. Die Zyklopensteine müssten antransportiert werden. Nicht zu vergessen sei auch, dass die Wegtrasse abschnittsweise in der Randzone des Natura-2000-Gebietes verlaufe.
„Verbessern ja, aber nicht so“
Dass es angebracht und auch nützlich ist, den Viehtriebweg zu verbessern, „erkennen wir zwar an, aber beim derzeitigen Projekt ist kein vernünftiges Verhältnis zwischen Eingriff in die Landschaft und Nutzen für die Viehwirtschaft gegeben“, so Gruber, Zerzer und Pritzi. Die USGV spreche sich daher dafür aus, vom zweiten Baulos, wie es das Projekt vorsieht, abzusehen und eine schonendere Variante ohne Stützmauern und größere Bauwerke ins Auge zu fassen. Pritzi kann sich vorstellen, „dass der Viehtriebweg mit Hilfe mehrerer Arbeiter händisch verbessert werden könnte.“ Was die Umweltschützer im Zusammenhang mit dem Projekt noch beanstanden, ist eine angeblich fehlende Transparenz. Zwischen der Gemeinde und den Ämtern seien die Informationen zwar geflossen, „die Bevölkerung aber wusste offensichtlich zu wenig, sonst wären die Leute nicht zu uns gekommen“, so Gruber.
„Sonst ist es mit den Almen vorbei“
Den Vorwurf fehlender Transparenz und Information sowie weitere Kritikpunkte und Argumente der Umweltschützer hat Bürgermeister Georg Altstätter bereits im November 2024 in einem Schreiben an die Umweltschutzgruppe zurückgewiesen. Es habe Gemeinderatsbeschlüsse zum Bau des Weges gegeben und „wir haben mit allen zuständigen Ämtern immer in voller Transparenz alles von Beginn an abgesprochen.“ Wie Altstätter am 26. Februar dem der Vinschger bestätigte, „ist der erste Teilabschnitt, also der Traktorweg, bis zum derzeitigen Zeitpunkt zu 90 Prozent fertiggestellt und mit der Umsetzung des zweiten Abschnittes wird im Laufe des heurigen Jahres begonnen, das steht fest.“ Es gebe eine ganze Reihe von Gründen, die für das Projekt sprechen. Das Hauptziel sei es, „die traditionelle Beweidung der Almen auch in Zukunft zu gewährleisten, was gleichzeitig die Erhaltung und Förderung der biologischen Vielfalt im Nationalpark Stilfserjoch und im Schutzgebiet Natura 2000 beinhaltet.“ Die Verbesserung der Zugänglichkeit zu den Almen führe zu einer Reduzierung von Verwaldung und Verstrauchung. Damit werde der Lebensraum für Flora und Fauna im Sinne des Schutzes der Biodiversität erhalten. Mit der Schaffung eines verbesserten Viehtrieb- und Wanderweges würden die Rahmenbedingungen für die Bewirtschaftung der Flimalmen verbessert. Mit dem aktuellen Weg könne den heutigen Tierwohlstandards kaum entsprochen werden.
In den 1950er Jahren sind zwei Almen verschwunden
Der Bürgermeister erinnert auch daran, dass beim Bau des Zufrittstausees in den 1950er Jahren zwei Almen verschwunden sind und die Almflächen in höhere Lagen verlegt werden mussten, unter anderem auch auf die Flimalmen. Um auf die Untere Flimalm zu kommen, müsse man eine Stunde gehen, zum Großteil steil aufwärts, und die Obere Flimalm ist in zwei Stunden erreichbar. Beweidet werden die Almflächen vorwiegend von Jungvieh. Mit dem Ausbau des Viehtriebweges werde es ermöglicht, dass der Hirte zumindest mit einem Quod fast bis zur Unteren Flimalm hinaufkommt. Für andere Fahrzeuge bleibe der Weg tabu. Grundsätzlich hält der Bürgermeister fest, dass es sich beim Projekt ohnehin um einen Kompromiss, sprich eine Minimallösung handelt: „Die Bauern hatten mehr gefordert.“ Laut Altstätter ziele das Projekt auch darauf ab, die touristische Attraktivität zu steigern, zumal ein neuer, attraktiver Wanderweg für Gäste und Einheimische entsteht. Der Weg werde es Menschen jeden Alters ermöglichen, die Flimalmen und dortigen Seen zu erwandern. Die Wanderungen können bis zur benachbarten Soy-Alm bzw. ins Ultental fortgesetzt werden. Keineswegs in Erwägung gezogen würden laut dem Bürgermeister Bike-Trails oder anderweitige Infrastrukturen. Die Gesamtkosten des Projektes -erster und zweiter Teilabschnitt -werden mit Gesamtkosten von rund 273.000 Euro - Mehrwertsteuer inklusive - beziffert.