Integrations-Stein soll rollen
Von der Herausforderung zur Chance. Der Vinschgau setzt auf Netzwerkarbeit.
Goldrain - Zahlreiche Personen aus unterschiedlichen Berufen und Bereichen, vom Sozialen über Wirtschaft, Bildung, Gesundheit, Sicherheit und Vereinswesen bis hin zur Politik, versammelten sich am 21. März, im Schloss Goldrain. Die Sozialdienste der Bezirksgemeinschaft Vinschgau hatten zur Tagung „Von der Herausforderung zur Chance – Migration & Integration im Vinschgau“ geladen. „Es freut mich, dass so viele Menschen, die alle mit dem Thema zu tun haben, hier sind“, begrüßte die Bezirkspräsidentin Roselinde Gunsch die vielen Anwesenden. Der Vinschgau sei erprobt in der Aufnahme von Flüchtlingen. In den 1990er Jahren waren etwa zahlreiche Bosnierinnen und Bosnier hierhergekommen und Hunderte in Mals untergebracht worden. „Mittlerweile sind es andere Kulturen und andere Herausforderungen“, wusste Gunsch. Die Vinschger/innen dürften dabei aber nicht vergessen, dass auch sie bzw. ihre Vorfahren früher selbst von Auswanderung stark betroffen waren, Stichwort Schwabenkinder. Die Diskussion über Migration dürfe nicht populistisch geführt werden. „Wichtig ist es, dass hier Leute sind, die alle mit dieser Thematik zu tun haben. Wir sitzen alle im gleichen Boot“, unterstrich die Bezirkspräsidentin. Die Sozialdienste seien oft „mehr mit Feuerlöschen beschäftigt als mit Präventionsarbeit.“
Vinschgau mit Premiere
Birgit Dissertori, die die Veranstaltung moderierte, sprach von einem „Herzensprojekt“. Es sei ein Thema, dem man sich stellen müsse – ohne zu polemisieren. „Die Vinschger sind die ersten, die es hinkriegen, so eine Veranstaltung auf die Beine zu stellen“, lobte sie. Erstmals seien Vertreter/innen der verschiedenen Bereiche an einem Tisch, mit dem Ziel, Zusammenhänge zu erkennen, Kooperationen zu fördern und gemeinsame Handlungsmöglichkeiten zu entwickeln. Karin Tschurtschenthaler, die Direktorin der Sozialdienste, zeigte sich vom Erfolg der Tagung überzeugt. Durch die Vertreter/innen der verschiedenen Bereiche sei es möglich, verschiedene Perspektiven aufzuzeigen und innovative Lösungsansätze zu finden. Die Tagung sei zudem eine wichtige Plattform, um Netzwerke zu bilden. Nicht zuletzt könnten die Ergebnisse und Erkenntnisse die politischen Entscheidungsträger/innen unterstützen. Auch Urban Rinner, der Generalsekretär der Bezirksgemeinschaft, wies auf die Bedeutung der Netzwerkarbeit hin.
Oft mit Vorurteilen konfrontiert
Sadbhavana Pfaffstaller, Forscherin an der Eurac in Bozen, präsentierte einige Zahlen und Fakten zur Einwanderung im Vinschgau. Der Anteil an Menschen ohne italienische Staatsbürgerschaft im Vinschgau liegt demnach laut ASTAT-Daten von 2023 bei acht Prozent, einschließlich Migrantinnen und Migranten aus den DACH-Ländern (Deutschland/Österreich/Schweiz). Der Großteil der Personen gehe einer Beschäftigung nach. Barbara Wopfner von der Bezirksgemeinschaft berichtete über das SAI-Programm. Ziel von SAI („Servizio accoglienza integrazione“) ist es, geflüchtete Personen darin zu unterstützen, ihre Selbständigkeit (wieder) zu erlangen. Insbesondere das Thema Wohnen brenne unter den Nägeln. Migrantinnen und Migranten seien oft mit Vorurteilen konfrontiert. Wopfner bedankte sich insbesondere bei den Schulen für die gute Arbeit. Man dürfe aber nicht vergessen, „auch die Erwachsenen mitzunehmen“.
Viele Ideen
Das Herzstück der Tagung bildeten Workshops. In mehreren Arbeitsgruppen konnten die Vertreter/innen der verschiedenen Bereiche zu den drei Themen Schule und Bildung, Arbeit und Wohnen sowie Zugehörigkeit und Gesundheit diskutieren. Im Anschluss wurden die Ergebnisse präsentiert. Hervorgehoben wurde dabei u.a., wie wichtig die Vernetzung sei. Auch die Toleranz sei für alle Bereiche ein wesentlicher Faktor. Vorschläge waren etwa massiv in Sprachkurse zu investieren, neue Arbeitsmodelle zu finden, die Rolle der Integrationsbeauftragten in den Gemeinden zu stärken und freilich ganz viel mehr. Nun gelte es, die Ideen zu konkretisieren und weiterzuverfolgen. Landesrätin Rosmarie Pamer, die selbst in einem Workshop mitarbeitete, fand lobende Worte für die Tagung und unterstrich: „Heute haben wir alle etwas mitbekommen. Es sind große Herausforderungen, aber auch große Chancen“. Karin Tschurtschenthaler brachte es abschließend dem der Vinschger gegenüber auf den Punkt: „Wir haben den Stein ins Rollen gebracht, nun müssen wir schauen, dass er weiterrollt“.
