Bürgermeisterin Roselinde Gunsch spricht darüber, was ihre Gemeinde bewegt.
Zusammenarbeit, Vor- und Nachteile: Die Grenze zur Schweiz ist seit jeher ein bedeutendes Thema.

Herausforderungen einer Randgemeinde

Über Projekte, Grenzpendler/innen, abgebaute Betten, Chancen und mehr: Bürgermeisterin Roselinde Gunsch im Interview.

Publiziert in 18 / 2024 - Erschienen am 8. Oktober 2024

TAUFERS IM MÜNSTERTAL - Seit fast 10 Jahren fungiert Roselinde Gunsch als Bürgermeisterin in Taufers. 2015 war sie als erste Frau im Vinschgau in dieses Amt gewählt worden. Damals mit nur einer Stimme Vorsprung auf Alois Hellrigl. 2020 wurde sie mit fast 70 Prozent der Stimmen wiedergewählt. Mittlerweile ist Gunsch als Bürgermeisterin der 957 Einwohner/innen zählenden Grenzgemeinde (Stand 31.08.2024) quasi nicht mehr wegzudenken. Wie es weitergeht und was die „Randvinschger/innen“ bewegt, darüber haben wir mit ihr gesprochen.

der Vinschger: Die Verwaltungsperiode neigt sich dem Ende. Ist Ihre Entscheidung für eine Wiederkandidatur im kommenden Jahr bereits gefallen?

Roselinde Gunsch: Meine definitive Entscheidung diesbezüglich werde ich rechtzeitig bekannt geben.

Nach dem Rücktritt von Dieter Pinggera als Bezirkspräsident im Frühjahr 2024 haben sie dieses Amt übernommen. Wie können Sie das mit der Arbeit als Bürgermeisterin vereinen und stellen Sie sich im nächsten Jahr erneut als Bezirkspräsidentin zur Verfügung?  

Es ist schon ein erheblicher Mehraufwand. Aber es ist zu schaffen. Ich wusste schon vor ich das Amt als Bezirkspräsidentin angenommen habe, dass ich gewisse Ressourcen dafür habe. Wie es im kommenden Jahr weitergeht, weiß ich noch nicht. Mit den Gemeinderatswahlen bzw. sobald die Vertreter/innen alle neu installiert sind, wird auch der Bezirksrat neu eingesetzt. Diese Frage stellt sich zur Zeit nicht und hängt mit der eventuellen Wiederwahl als Bürgermeisterin zusammen.

Die Referent/innen stellt die SVP derzeit alleine, im Rat hat die Freie Liste Taufers i.M. drei von zwölf Sitzen. Wie läuft die Zusammenarbeit im Gemeindeausschuss sowie im Gemeinderat?

Die Verwaltungsperiode hatte keinen guten Start, weil sie in die Coronavirus-Pandemie fiel. Das traf aber natürlich alle Gemeinden in Südtirol und darüber hinaus. Das erste halbe Jahr konnten wir uns quasi überhaupt nicht in Präsenz treffen. Bis sich dann der Ausschuss und der Gemeinderat so richtig eingefunden haben, dauerte es. Die Nachwirkungen der Pandemie waren noch über Jahre hinweg spürbar. Generell ist aber schon zu sagen, dass die Zusammenarbeit im Ausschuss mittlerweile gut läuft und auch im Gemeinderat bis auf wenige Ausnahmen passt.

Was waren die größten und wichtigsten Projekte in der zu Ende gehenden Verwaltungsperiode?

Der Bau von Kindergarten und Feuerwehrhalle. Dies stand bereits vor dieser Verwaltungsperiode fest und hat uns bis zum Frühjahr 2024 begleitet. Der Bau wurde im vergangenen Jahr fertig gestellt und die Eröffnung konnte im April dieses Jahres gefeiert werden. Es war ein riesiges Projekt. Mit rund sechs Millionen Euro hat es nicht nur finanziell viele Ressourcen gekostet, sondern auch für die Mitarbeiter der Gemeinde war es eine große Herausforderung. Das Ergebnis kann sich aber auf alle Fälle sehen lassen. Beim Bau setzten wir auf eine enge Zusammenarbeit mit allen Beteiligten. Die Kindergärtnerinnen und Wehrleute konnten ihre Bedürfnisse und Wünsche in die Planung mit einfließen lassen. Auch die Bauarbeiten bei der alten Dreschmaschine konnten in der laufenden Verwaltungsperiode fertig gestellt werden. Dort entstand eine neue Kühlzelle des Jagdreviers, eine landwirtschaftliche Garage sowie die Bar „Alte Dreschmaschine“, 2021 konnten diese ihrer Bestimmung übergeben werden. Der Neubau fügt sich gut in die Landschaft ein, die Investitionen beliefen sich auf rund 750.000 Euro. Auch auf dem Friedhof gab es Neuerungen: So wurde die Urnenwand erweitert. Weitere Projekte waren die Sanierung des Spielplatzes, der Ausbau der Kinderbetreuung in den Sommermonaten und die Ausarbeitung des Gemeindeentwicklungsprogramms, welche eine große Herausforderung war.

Welche größeren Projekte stehen noch an?

Der Recyclinghof, wo sich Gemeindebauhof und auch das Bergrettungslokal befinden, muss dringend erneuert werden. Dieser ist total veraltet und entspricht nicht mehr den heutigen Bestimmungen. Er wird abgerissen, an derselben Stelle neu gebaut und an die modernen Erfordernisse angepasst. Auch die Bergrettung erhält hier eine zeitgemäße neue Unterkunft. Die Ausschreibungen sollen im Herbst 2025 starten. Dies wird das wichtigste Projekt der nächsten Verwaltungsperiode. Wir sprechen hier insgesamt von bis zu rund fünf Millionen Euro Kosten.

Ein Dauerthema in Ihrer Gemeinde sind die Grenzpendler/innen. Laut Erhebungen aus dem Jahr 2022 gibt es 145 davon. Welche Vor- und Nachteile bringt dies mit sich?

Die Grenznähe spielt bei uns eine große Rolle, denn seit Jahrzehnten sind die Grenzpendler/innen eine Realität, die nicht mehr wegzudenken ist. Die Nähe zur Schweiz bietet einfach attraktive Arbeitsplätze. Dies hat Vor- und Nachteile. Die Vorteile sind, dass die Menschen hier leben und auch hier investieren. Das Geld bleibt somit bzw. kommt hierher. Es wird gebaut, was auch Betrieben zugutekommt. Ein Nachteil ist natürlich, dass Arbeitskräfte fehlen. Da ein Angestelltenverhältnis in der Schweiz sehr lukrativ ist, wagen sich wenige einheimische Handwerker/innen in die Selbstständigkeit. Ein weiterer Vorteil ist aber, dass viele Betriebe von hier, auch Aufträge aus der nahen Schweiz erhalten.

Wie läuft die Zusammenarbeit mit dem Val Müstair, politisch und darüber hinaus?

Hier hat sich in den letzten Jahren noch einiges getan, die Zusammenarbeit wurde intensiviert. Seit 2022 können Bürgerinnen und Bürger unserer Gemeinde bei einem Notfall die Leistungen der Klinik „Center da Sandà Val Müstair“ in Anspruch nehmen. Dies wird über Tickets beim Südtiroler Sanitätsbetrieb abgerechnet. Die Klinik, das kleinste Spital der Schweiz, liegt nur rund vier Kilometer von der Schweizer Grenze entfernt und ist somit viel näher als das 30 Kilometer entfernte Krankenhaus in Schlanders. Zudem gibt es gelungene Interreg-Projekte, auch in dieser Hinsicht ist noch so einiges geplant. Zu erwähnen ist weiters der rege Austausch zwischen den Vereinen: Die Müstairer Fußballmannschaft nutzt zum Beispiel unseren Sportplatz. Auch was den kulturellen Austausch, sowie Veranstaltungen betrifft, tut sich seit jeher einiges: Die Synergien zwischen dem UNESCO-Weltkulturerbe Kloster St. Johann in Müstair und unserem St.-Johann-Kirchlein sollen auch weiter intensiviert werden. Ich persönlich pflege eine gute Zusammenarbeit mit Gabriella Binkert Becchetti. (Anm. der Redaktion: Bei den Wahlen am 25. September hatte die Gemeindepräsidentin von Val Müstair, wie berichtet, 361 Stimmen erhalten und die absolute Mehrheit von 362 Stimmen hauchdünn nicht geschafft, womit sie gegen Thomas Schadegg [218 Stimmen] und Ivo Lamprecht [100] am 13. Oktober in die Stichwahl muss).

Wie geht es dem Tourismus in Taufers im Münstertal?

Es wurden Betten abgebaut. Viele Privatzimmervermieter haben über die Jahre abgebaut, weil die Nachfolge fehlt. Zum Vergleich: 1981 waren es noch 370 Betten, mittlerweile sind wir bei weniger als 200. Fast 35.000 Nächtigungen wurden 2023 generiert, diese aber größtenteils von einem 4-Sterne-S-Hotel. Der Tourismus hätte jedenfalls ein großes Potenzial. Wir hätten in Sachen Betten noch Kontingent frei und auch alle Voraussetzungen für den sanften Tourismus, der in Zeiten wie diesen gefragt ist. Wanderungen sind sowohl im Sommer als auch im Winter in idyllischen Berglandschaften möglich. Das Tal ist verkehrstechnisch gut an das öffentliche Netz angeschlossen. Durch die Nähe zur Schweiz sind auch hochkarätige Infrastrukturen, zum Beispiel ein Langlaufzentrum mit einem großen Loipennetz nicht weit.

Ein Tal wie das Münstertal ist seit jeher auch geprägt von der Landwirtschaft. Wie geht es dieser in Ihrer Gemeinde? 

Auch hier ist die Betriebsnachfolge ein Problem. Es gibt kaum mehr Nebenerwerbsbauern, die lassen Jahr für Jahr nach. Nur eine Handvoll Vollerwerbsbauern sind übriggeblieben. Es wird fast ausschließlich Milchwirtschaft betrieben, Apfelwiesen gibt es nur wenige. Zudem gibt es lobenswerterweise einen Betrieb der Kräuter anbaut.
 

Was tut sich in der kleinen, aber feinen Handwerkerzone nahe der Grenze?

Diese ist schon noch belebt, wir haben einige erfolgreiche Betriebe in den verschiedenen Sparten, wie etwa Tischlereien, die auch über die Grenzen hinaus tätig sind. Das letzte Baulos in der Zone wurde nun auch vergeben. Es entsteht ein landwirtschaftlicher Verarbeitungsbetrieb.

Was beschäftigt Sie in den letzten Monaten dieser Verwaltungsperiode besonders?

Das Gemeindeentwicklungsprogramm. Das ist noch eine Mammutaufgabe und muss bis zu den nächsten Gemeinderatswahlen im Mai abgeschlossen sein. Wir arbeiten derzeit in der Gemeindeverwaltung intensiv daran.

Michael Andres

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