Flurbegehung im Winterroggen-Acker von Florin Pichler in Glurns.

Getreideanbau in guten und in schlechten Zeiten

Publiziert in 42 / 2013 - Erschienen am 27. November 2013
Im Jahre 1906 gab es in der „Kornkammer Tirols“ noch 4167 ha Getreidefelder, 100 Jahre später nur mehr 10 ha; heute sind es wieder 60 ha. Vinschgau - Bis ins Englische Königshaus und in den Vatikan wurde das Vinschger Korn damals geliefert, während heute der Getreideanbau vorwiegend für den Eigengebrauch oder für die ­Bäckereien betrieben wird. Bei einer Besichtigung der Getreidestraße in Prad, einem Getreidefeld in Glurns und der Dorfbäckerei in St. Valentin konnten Konrad Meßner und Markus Seppi einer Gruppe von über 40 Teilnehmern aus ganz Südtirol die Tradition der Getreidekultur im Vinschgau näher bringen. „Der Vinschgau ist eines der vier trockensten Täler in den Alpen, viel Wind und eine hohe Sonneneinstrahlung auf hoher Meereshöhe sind gegeben, die Böden sind ideal für das Getreide, es gibt noch 17 Hofsorten und es braucht keine fremden Düngemittel und Pestizide“, so Referent Meßner. Dennoch gebe es große Herausforderungen im Getreideanbau, wie die Qualität und Preisgestaltung, die Verarbeitung, Lagerung und Vermarktung sowie den benötigten Maschinenpark. Dem 2010 gegründeten Verein Kornkammer gehören heute über 40 Mitglieder mit 60 ha Getreideanbau im Vinschgau an. „Getreide ist ein handwerkliches Produkt“, so Meßner, „aber im Vergleich zum Obstbau nicht sehr arbeitsaufwändig“. Allerdings müsse die Qualität sehr hoch sein, um den Kilopreis von 1,20 Euro rechtfertigen zu können; Getreide auf dem Weltmarkt sei um die Hälfte zu haben. Das Um und Auf für die Produktqualität ist die Bodengesundheit und ein einwandfreies Saatgut. Auf eine optimale Bodenbeschaffenheit legt auch Florin Pichler aus Tarsch großen Wert. Der Bioland-Bauer und Obmann der Kornkammer führte die Gruppe auf sein gepachtetes Feld oberhalb von Glurns. Er sei zufrieden mit der Bestockung seines Winterroggens, den er neben Dinkel. Gerste, Weizen und Buchweizen anbaut. „Die Maschinen möchte ich so schonend wie möglich einsetzen und in Richtung Humusaufbau hinarbeiten“, so der junge Landwirt. Wichtig sei es ihm, altes Wissen mit den neuesten Erkenntnissen zu verbinden und zu nutzen. Vom Anbau bis zum fertigen Produkt haben Cilli und Othmar Folie ihr eigenes Getreide in der Hand. Im ehemaligen Sägewerk hat Othmar eine „Getreidestraße“ errichtet, in der das Getreide der Vinschger Getreideanbauer gespelzt und gereinigt wird. In der eigenen kleinen Hofbäckerei fertigt Cilli Brot- und Backwaren für die Direktvermarktung an. Weitum bekannt ist das ­Paarlbrot der Bäckerei Angerer in St. Valentin. Der „Hoader Beck“ stellte der Gruppe seinen im vergangenen Jahr errichteten Holzbackofen und seine Zentrofanmühle vor. Die Zentrofan-Mahltechnik ist es, die dem 100 %igen Vollkornmehl den besonderen Feinheitsgrad und die backverbessernde Wirkung beschert. Mit Begeisterung erklärte der Bäckermeister auch seinen neuen Holzofen. inge
Ingeborg Rainalter Rechenmacher

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