Gesundheit vor Geld

Publiziert in 3 / 2016 - Erschienen am 27. Januar 2016
Oberschüler fordern Klarheit in Sachen Krankenhaus und Sanitätsreform. Landeshauptmann steht Rede und Antwort. Schlanders - Zwei nicht alltägliche Schulstunden erlebten über 500 Oberschülerinnen und Oberschüler des Oberschulzentrums Schlanders am 21. Jänner im Kulturhaus in Schlanders. Es war Landeshauptmann Arno Kompatscher, dem die Schüler eine Menge von kritischen Fragen zur Reform des Gesundheitswesens und zur Zukunft des Krankenhauses Schlanders stellten. Ihre Fragen, Befürchtungen und Kritik, aber auch ihre Vorschläge und Wünsche hatten Schülerinnen und Schüler der Technologischen Fachoberschule (TFO), des Sprachengymnasiums (SG), der Wirtschaftlichen Fachoberschule (WFO) und des Realgymnasiums (RG) in Form von Briefen, grafischen Darstellungen und Texten vorbereitet. In den Briefen, die dem Landeshauptmann am Ende der Diskussion mit auf den Weg gegeben wurden, wurden viele Sorgen, Feststellungen, Anliegen und Fragen zum Krankenhaus und zur Sanitätsreform aufgeworfen, die der gesamten Bevölkerung im Tal schon seit einiger Zeit unter den Nägeln brennen. Eine der Kernbotschaften an die Adresse des Landeshauptmannes war: Wenn es um die Gesundheit geht, sollen nicht Diskussionen um Geld, Kosten und Einsparungen im Vordergrund stehen, sondern die Menschen, sprich deren Gesundheit. „Tun Sie das, was menschlich ist“ Die Liste der in vielen Beriefen geäußerten und durchaus stichhaltigen Argumente für den Erhalt der Geburtenstation und weiterer, derzeit bestehender Dienstleistungen im Krankenhaus Schlanders ist lang. Oft genannt wurden die langen geografischen Entfernungen und die eventuell damit verbundenen Gefahren für schwangere Frauen, Unfallopfer oder Personen, die einen Herzinfarkt erleiden. Zusätzlich zum Thema der gesundheitlichen und medizinischen Versorgung gaben die Schüler auch zu bedenken, dass ein Abbau von Dienstleistungen die Rolle des Krankenhauses als zweitgrößter Arbeitgeber im Vinschgau (ca. 470 Angestellte) merklich schwächen könnte: „In vielen Familien machen sich Existenzängste breit.“ Mehrfach geäußert wurde der Wunsch, dass es der Mensch ist, der bei politischen Entscheidungen im Vordergrund stehen muss. Sparen könne man anderswo, nicht aber bei der Gesundheit. Beanstandet wurde auch, dass aufgrund nicht gehaltener Versprechen viel Vertrauen in die Politik verloren gegangen sei. „Wem kann man noch glauben?“ hieß es wörtlich. Kritisiert wurden u.a. die strengen Aufnahmeprüfungen für ein Medizinstudium. Das schrecke viele junge Menschen ab, Medizin zu studieren. Wem kann man noch glauben? Neben vielen Fragen und Kritiken zeigten sich die Schüler in etlichen Briefen aber auch überzeugt davon, dass eine Reform des Gesundheitswesens notwendig ist, vor allem angesichts der Tatsache, dass die Menschen immer älter werden und dass das eine große Herausforderung für die Zukunft darstellt. Es wurde vorgeschlagen, Bürokratie abzubauen und Verwaltungsstellen zusammenzulegen, ohne dabei aber die gesundheitliche Versorgung zu schmälern. Es sei auch daran zu arbeiten, das junge Menschen eine Perspektive haben, im Gesundheitswesen Fuß zu fassen. Unmissverständlich gefordert wurde mehr Klarheit im Zusammenhang mit der Gesundheitsreform und der Zukunft des Krankenhauses Schlanders. Als unlogisch werde von vielen empfunden, dass am Krankenhaus Schlanders einerseits für 16 Mio. Euro der Bettentrakt neu errichtet wird, und andererseits von Schließungen von Abteilungen die Rede gehe. „Bei der Gesundheit wird nicht gespart“ Wie schon die Schuldirektorin Verena Rinner lobte auch Landeshauptmann Arno Kompatscher die „Briefe“ der Oberschüler. Sie hätten sich intensiv mit dem Thema befasst. „Ihr habt sehr wohl verstanden, um was es geht. Viele eurer Fragen sind dieselben, wie wir sie auch auf politischer Ebene diskutieren“, so Kompatscher. Dass die Gesundheit das höchste Gut ist, „ist auch uns als Landesregierung klar. Die Gesundheit ist uns wichtig und alle öffentlichen Verwaltungen, sprich das Land und auch die Gemeinden, haben entsprechende Prioritäten zu setzen.“ Dass bei der Gesundheit nicht gespart werde, beweise schon allein die Tatsache, dass rund 60% der Geldmittel des Landeshaushaltes in die Bereiche Gesundheit (über 1,2 Mrd. Euro), Bildung (fast 1 Mrd. Euro) und Soziales (ca. 700 Mio. Euro) fließen. Die Ausgaben für die Gesundheit werden weiter zunehmen. Kompatscher: „Wir gehen derzeit von zusätzlichen 20 Mio. Euro pro Jahr aus.“ Der Hauptgrund für die Mehrausgaben sei der demografische Wandel und der damit einhergehende Anstieg von medizinischen Leistungen für ältere Menschen: „Wir haben heute in Südtirol rund 100.000 Menschen, die über 65 Jahre alt sind. In 15 Jahren werden es 140.000 sein.“ „Schließung war nie ein Thema“ Offen eingeräumt hat Kompatscher, „dass es uns leider nicht gelungen ist, bezüglich der Gesundheitsreform rechtzeitig Klarheit zu schaffen.“ Das habe zu großen Unsicherheiten in der Bevölkerung und in den Krankenhäusern geführt. Kompatscher beteuerte erneut, dass die Schließung auch nur eines der 7 Krankenhäuser nie ein Thema gewesen sei: „Wir schließen mit Sicherheit kein Krankenhaus.“ Im Gegenteil, die Krankenhäuser müssten sich weiter entwickeln, und zwar nach dem Prinzip „1 Krankenhaus – 2 Standorte“. Einige Grunddienste werden auch in Zukunft weiterhin sowohl in Meran als auch in Schlanders angeboten werden. Aber es wird auch Spezialisierungen geben, sodass bestimmte Leistungen ausschließlich in Meran oder aber ausschließlich in Schlanders angeboten werden. Kompatscher: „Insgesamt wird in Schlanders in Zukunft nicht weniger gemacht. Einiges wird dazu kommen, einiges vielleicht kommt weg oder wird neu organisiert.“ Diese Spezialisierungen werden in Leistungskataloge einfließen, welche die Landesregierung spätestens im März genehmigen soll. Im Anschluss daran soll schrittweise mit der Umsetzung der Reform begonnen werden. Diese Phase werde sich über Jahre hinziehen. Die Mindestzahl 500 ist nicht das Problem Zur Geburtenstation in Schlanders sagte Kompatscher, dass die Mindestzahl von 500 Geburten pro Jahr nicht das Problem sei. Selbst die Gesundheitsministerin Beatrice Lorenzin wolle sich nicht an dieser Zahl festnageln. Wohl aber beharre sie auf andere hohe Standards, speziell auf die ständige Anwesenheit (24 Stunden an 365 Tagen) von einer Hebamme, eines Gynäkologen, eines Anästhesisten und eines Pädiaters in den Geburtenstationen. Südtirol bemühe sich jetzt um die Möglichkeit, die Standards dahingehend abzuändern, dass zum Teil auch Bereitschaftsdienste möglich sein sollen, wobei aber dennoch die größtmögliche Sicherheit gewährleistet werden soll. Das Land habe mittlerweile zwar neue Ärztestellen vorgesehen und auch die dafür nötigen Geldmittel eingeplant, „aber es wird nicht leicht sein, Ärzte zu finden.“ Der Mangel an Ärzten sei ein europaweites Problem. Das Land versuche, mit unterschiedlichen Maßnahmen Ärzte in Südtirol einstellen zu können. Als Beispiel nannte Kompatscher die Steigerung der Ausbildungsplätze in den Krankenhäusern. Große Sorgen bereite ihm das Fehlen von Hausärzten. Viele Hausärzte gehen in absehbarer Zeit in Pension, „und wir können neue Hausärzte nicht schnitzen.“ Im Auge zu behalten bzw. zu verbessern gelte es auch den notärztlichen Dienst. In Bezug auf die Aufnahmeprüfungen für das Medizinstudium hielt Kompatscher fest, „dass es viel mehr Bewerbungen als Studienplätze an medizinischen Universitäten gibt.“ „Wir können neue Hausärzte nicht schnitzen“ Zusätzlich zu den Themen Gesundheit und Krankenhaus brachten die Schüler bei der Diskussion noch weitere Anliegen aufs Tapet. So etwa den Flughafen, den Müllverbrennungsofen in Bozen oder den sogenannten Maulkorb-Erlass, den Thomas Schael, der Generaldirektor des Südtiroler Sanitätsbetriebes, mittlerweile außer Kraft gesetzt hat. Auch die Politikergehälter kamen zur Sprache. Kompatscher dazu: „Meine Kollegen und ich bekommen über ein Drittel weniger als unsere Vorgänger. Die Frage, ob das immer noch zu viel ist, ist natürlich legitim.“ Allerdings sei es weitgehend so, dass Politiker, vor allem auch auf Gemeindeebene, nicht mehr des Geldes wegen in die Politik einsteigen. Er seinerseits bemühe sich, „mein Geld wert zu sein.“ Die Schuldirektorin bedankte sich abschließend bei den Schülerinnen und Schülern, den Lehrpersonen und der gesamten Schulgemeinschaft für die gelungenen zwei Stunden mit dem Landeshauptmann. Zu den aufmerksamen Zuhörern gehörten u.a. auch Trudi Staffler in Vertretung der „Freunde Krankenhaus Schlanders“, der Schlanderser Bürgermeister Dieter Pinggera und Anton Theiner, der Ärztliche Leiter des Krankenhauses. Sepp
Josef Laner

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