„Es ist 5 Minuten vor 12“
Publiziert in 15 / 2016 - Erschienen am 20. April 2016
Luis Hellrigl, der Obmann des Südtiroler Braunviehzuchtverbandes, im Interview
der Vinschger: Herr Hellrigl, Sie sind seit dem Frühjahr 2008 der Obmann des Südtiroler Braunviehzuchtverbandes. Wie stand der Verband damals da und wie sieht er heute aus?
Luis Hellrigl: Ich glaube, dass der Südtiroler Braunviehzuchtverband seit jeher gut da stand und weiterhin gut da steht. Ein bisschen stolz dürfen wir darauf sein, dass es in den vergangenen Jahren gelungen ist, die Anzahl der Jungzüchterclubs von 2 auf 6 aufzustocken, sodass die Jungzüchter jetzt flächendeckend im ganzen Land vertreten sind. Die Jugend ist der Motor der Zukunft, das gilt auch für unseren Verband. Wir haben ein Top-Team, das beste Arbeit für unsere Mitglieder leistet. Dafür sei ihm gedankt.
Wie hat sich der Wegfall der Milchquote bisher auf Südtirol und speziell auf den Vinschgau ausgewirkt?
Bisher haben unsere Mitglieder davon wenig verspürt. Derzeit ist der Milchpreis Gott sei Dank noch stabil. Zu verdanken haben wir das in erster Linie den Milchhöfen, wo die Milch bis zu 95% veredelt wird. Das ist das eigentliche Erfolgsrezept.
Wird der Milchpreis in Zukunft sinken?
Ehrlich gesagt, sind die Prognosen nicht gut. Ich befürchte schon, dass der Preis in Zukunft sinken könnte. Eine Preissenkung wäre für die Bergbauern nicht tragbar, denn damit wäre keine Kostendeckung mehr vorhanden und das würde zu größeren Problemen führen.
Die Regel ist es zwar noch nicht, aber auch im Vinschgau gibt es Bergbauernhöfe, die aufgelassen wurden bzw. vor der Auflassung stehen. Wie kann man das verhindern?
Wir müssen alles unternehmen, damit unsere Bauern und speziell Jungbauern die Möglichkeit bekommen, möglichst in der Nähe ihrer Höfe einer Zusatzarbeit nachzugehen. Sehr wichtig ist für die Bauern auch, eine Arbeit verrichten zu können, bei der sie nicht während genau festgelegter Zeiten im Einsatz stehen müssen, sondern bei der auch flexible Zeiten möglich sind. Auch die Gemeindeverwaltungen sollten sich vermehrt Gedanken darüber machen, wie Bergbauern in diesem Sinn mit öffentlichen Arbeiten betraut werden können. Die gesamte Gesellschaft und speziell der Tourismus sollten mehr Anerkennung und Wertschätzung gegenüber den Leistungen der Bergbauern zeigen.
Was kann bzw. sollte die Politik tun, damit die Bergbauern nicht ins Tal abwandern?
Die Politik ist in diesem Bereich sehr stark gefordert. Das Um und Auf der Berglandwirtschaft liegt in ihrer Hand. Es wurden zwar mehr Geldmittel zugunsten der Berglandwirtschaft versprochen, doch geflossen sind sie bisher noch nicht. Ich hoffe sehr, dass das bald der Fall sein wird, denn wie die Lage derzeit aussieht, ist es fast schon 5 Minuten nach 12 und nicht 5 Minuten vor 12. Die beste Förderung in meinen Auge bestünde darin, den Bauern für ihre Qualitätsprodukte angemessene Preise zu zahlen. Wäre dies tatsächlich der Fall, könnten alle anderen Förderungen heruntergefahren oder sogar ausgesetzt werden.
Im Durchschnitt produziert eine Vinschger Braunviehkuh fast 7.000 kg Milch im Jahr. Ist das nicht ein bisschen zu viel des Guten?
Nein, das ist es nicht. Mengen dieser Art sind für die heutigen Brauviehkühe kein Problem, denn die Fütterung hat sich in den letzten Jahren wesentlich verbessert. Wie wichtig die Milchmenge für das Einkommen der Bauern ist, schlägt sich in der Menge der aus der Milch erzeugten Produkte nieder. Dank der guten Inhaltsstoffe der Milch des Braunviehs fallen im Durchschnitt zwischen 8 und 10% mehr an Produktmengen ab. Und genau das ist das tägliche Geld der Bauern, das sie von der sehr guten, inhaltsstoffreichen Milch unserer Rassen erwirtschaften. Das ist ein nicht zu unterschätzendes Kapital.
Wie ist es derzeit um die Braunviehrasse bestellt?
Die Braunviehrasse steht momentan zwar etwas unter Druck, aber das Braunvieh war und bleibt die bestimmende Rasse im Vinschgau. Das ist nun schon seit über 120 Jahren der Fall. Das Braunvieh hat den Vinschgau über viele Jahrzehnte hinweg geprägt. Wo heute Äpfel gedeihen, standen früher Braunviehbetriebe mit durchwegs guten Erträgen, sodass die Umstellung auf Obstbau finanziert werden konnte.
Wie sehen Sie die Chancen einer vermehrten Fleischproduktion?
Darin steckt noch ein sehr großes Potential. Bei der Produktion von einheimischem Qualitätsfleisch liegen unser Land und auch der Vinschgau noch ziemlich weit zurück. Wir vom Verband freuen uns sehr, dass Landesart Arnold Schuler Maßnahmen setzen will, um dieses Potential auszuschöpfen. Mittlerweile gibt es im Vinschgau wieder mehr Original Braunvieh, das sich für die Erzeugung von Qualitätsfleisch optimal eignet.
Bei Ihren Nachbaren in Graubünden gibt es vielerorts die Mutterkuhhaltung. Wäre das nicht auch eine Alternative für den Vinschgau bzw. ganz Südtirol?
Auf den Almen in Graubünden trifft man fast nur mehr auf Mutterkuhhaltung. Allerdings gibt es in der Schweiz alle möglichen Rassen und Farben, während man sich bei uns eher auf lokale Ursprungsrassen wie das Original Braunvieh und das Grauvieh konzentrieren sollte.
Worauf freuen Sie sich bei der anstehenden Gebietsbraunviehschau in Lichtenberg am meisten?
Auf schönes Wetter und eine gute Veranstaltung. Außerdem wünsche ich mir, dass die Jungzüchter alle Besucher und Beteiligten gut verpflegen und dass alle Tiere und Menschen wieder gut nach Hause kommen.
Wie Sind mit dem wirtschaftlichen Ertrag Ihres eigenen Hofs in Taufers im Münstertal zufrieden?
Unser Betrieb liegt auf 1.600 Metern über dem Meer. Er hat 93 Erschwernispunkte. Zurzeit stehen 26 Stück Vieh im Stall. Der wirtschaftliche Ertrag liegt im durchschnittlichen Bereich der Braunviehzuchtbetriebe. Wir setzen neben der Milchwirtschaft ziemlich stark auf Aufzucht und Mast. Nur vom Einkommen aus dem Hof kann man aber nicht leben. Ich ging zeitlebens einer zusätzlichen Arbeit nach und habe oft in der Schweiz und in Italien gearbeitet. Das Familienleben kam dadurch sehr zu kurz. Ich hoffe daher, dass meinem Sohn Martin dieses Schicksal erspart bleibt und dass er zusätzlich zur Arbeit am Hof eine Zusatzbeschäftigung in der Nähe findet. Bei dieser Gelegenheit möchte ich mich bei allen bedanken, die sich für die Belange der Berglandwirtschaft einsetzen und freue mich auf viele Besucher bei der Gebietsschau.
Interview: Sepp Laner
Josef Laner