Beim Zaunbau-Kurs in Froj in Reschen.

Einzäunen und auszäunen

21 Teilnehmende bei Zaunbau-Kurs in Reschen

Publiziert in 19 / 2023 - Erschienen am 24. Oktober 2023

Reschen - Am 29. September fand in Froj in Reschen ein Zaunbau-Kurs statt. Angeregt hatte ihn Maurizio Giusti, Amtstierarzt in Prad. Organisiert wurde die Fortbildung für Halter von Schafen, Ziegen, Pferden und Rindern von der Eigenverwaltung bürgerlicher Nutzungsrechte Graun/Reschen und von LIFEstockProtect/Südtirol, einem EU-Projekt, das die wolfsabwehrende Haltung von Weidetieren unterstützt. Natürlich versteht sich diese Zielgruppe aufs Zäunen. Schafe oder Kälber ein- und Wölfe auszuzäunen, unterscheidet sich dennoch. Um den Vormittag gut zu nutzen, teilten sich die 21 Teilnehmer und Teilnehmerinnen in drei Gruppen und arbeiteten jeweils mit einem Referenten zu einem Thema.

Unterschiedliche Weidenetze
Erich Höchenberger, erfahrener Hirte aus Taufers im Münstertal, stellte unterschiedliche Weidenetze vor. Solche werden vor allem für Schafe eingesetzt und sind relativ schnell auf- und abgebaut. Erich erklärte die Unterschiede in Machart, Zaunhöhe und Preislage. Es werden auch Zäune für die Haus- und Heimweide zur Gänze vom Land Südtirol gefördert (8 Euro je Laufmeter Zaun, wobei der Arbeitseinsatz hier eingerechnet ist). Hauptsache, die Zaunhöhe liegt bei mindestens 120 Zentimetern. Entscheidend ist, die Weidenetze so aufzurichten, dass sie keine Lücken zeigen. Da Füchse, Goldschakale und Wölfe fast immer versuchen, unter dem Zaun durchzuschlüpfen, muss die unterste Maschenreihe einen maximalen Abstand von 20 cm zum Boden haben. Diese Maschenreihe führt wie alle anderen Strom. So wird dem Untergraben vorgebeugt. Höchenberger empfiehlt, Material auszuprobieren, nicht alles muss teuer gekauft werden. Wer noch brauchbare Zäune hat, kann sie aufrüsten. Auch Holzzäune können mit stromführenden Elementen gesichert werden. Um das Herumtragen und Abtransportieren von schweren Pfosten auf der Alm zu vermeiden, hat Höchenberger Stifte geschnitten, in die handelsübliche Holzpfosten eingesetzt werden, um die Drähte zu spannen, die schließlich an eine Stromversorgung angeschlossen werden.

Nach der Weidesaison abbauen
Wird der Zaun nicht mehr gebraucht, soll er laut Höchenberger unbedingt abgebaut werden, so ist er nach der Weidesaison weder Hindernis noch Gefahr. Die Pfosten bleiben an ihrem Platz liegen, in der nächsten Saison sind sie schon vor Ort. Und nein, es werden nicht ganze Almweiden eingezäunt, wie manche meinen. Auf Almen steckt der Hirte oder anderes Almpersonal je nach Größe der Herde einen Nachtpferch, üblicherweise sind das bis zu fünf Netze. Am Morgen verlassen die Tiere den Pferch, im Idealfall, wenn die Weidegräser und Kräuter nicht mehr taunass sind, um Ansteckungen mit Parasiten zu vermeiden. Die Anwesenheit von Hirten ist Voraussetzung. Dem Gelände angepasst, soll immer die maximale Höhe herausgeholt werden. So werden Einsprungshilfen wie Leitplanken, Mauern, steile Böschungen oder Felsen vermieden. In diesem Fall ist entscheidend, den Sicherheitsabstand zum Zaun zu halten.

Litzenzäune in schwierigen Böden
Die andere Gruppe drehte Kunststoffpfosten in einen schwierigen Boden voller Schieferstücke. In sehr felsigem Gelände wird auch der Bohrer eingesetzt. Zwischen die Pfosten kommen - je nach Tierart – vier bis sechs Schnüre, durch die Metallfäden gezogen sind, im Dialekt heißen sie Litzenzäune. Referent Renato Semenzato erklärte, warum in den Lessinischen Bergern nördlich von Verona oder im Nationalpark Bellunesische Dolomiten solche Zäune vor allem bei Rindern eingesetzt werden. Greifen Wölfe dort Rinder an? Semenzato, Zoologe und Berater für die Sicherheit von Weidetieren, bejaht: Kälber, Kalbinnen bis zum ersten Lebensjahr werden von Wölfen gerissen, daher ist es entscheidend, in Gebieten, wo noch keine oder gelegentlich durchziehende Wölfe vorkommen, auch die Rinder durch Elektrozäune zu sichern. So kann vermieden werden, dass sich Wölfe auf Rinder spezialisieren. Das ist leider in den Arealen geschehen, in denen Semenzato vor allem tätig wurde, vom Veneto bis ins Friaul, weil die Tierhalter die Lage unterschätzt hatten. Auch für Rinder braucht es nicht einen massigen Zaun, die Schnüre müssen aber gut gespannt sein, die untere Litze wieder mit 20 cm Bodenabstand, ohne ins Gras eingewachsen zu sein, und alles gleichmäßig unter Strom. Eine regelmäßige Kontrolle von hohen Volt und niedrigen Ampere ist entscheidend, denn diese Art von Zäunen ist mehr psychologische Barriere als mechanische. Die feuchte empfindliche Nase eines Wolfs spürt den Stromschlag als äußerst unangenehm, das Tier lernt, vor solchen Zäunen Abstand zu halten. Daher die Regel: Steht erst ein Zaun, braucht er immer ausreichend Strom. Die dritte Gruppe befasste sich mit der Elektrizität. Mindestens 4.000 Volt müssen konstant gewährleistet sein. Wie das zu machen ist, führte Christian Drescher vor. Er ist Biologe, Landwirt und Geschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft für die biologisch-dynamische Wirtschaftsweise (ABDW) Südtirol und Trentino. Sein Zaun-Testgerät bestätigte, dass die Gruppe ihre Arbeit gut hinbekommen hat.

Alle Nutztierarten können bedroht sein
Zum Abschluss stellte Renato Semenzato seine Erfahrungen aus der Region Friaul-Julisch Venetien und aus dem Piemont vor. Im Piemont sind Wölfe seit 20 Jahren ständig anwesend, seit zehn Jahren im Naturpark Lessinische Berge, ein Sömmerungsgebiet vor allem für Jungrinder. Alle Nutztierarten können von Wölfen bedroht sein, vom Truthahn zum Kalb, vom Esel zum Lama. Die gute Nachricht: Für alle Nutztierarten lassen sich Schutzmaßnahmen einrichten, manchmal reicht ein Nachtpferch, manchmal braucht es eine Änderung in der Organisation. Zum Beispiel sollten Bauern, die Rinderhaltung auf Bergweiden haben, die Geburten so planen, dass sie in den Winter fallen. Im Stall oder auf der eingezäunten Hausweide ist die Lage viel leichter zu kontrollieren. Die Kälber – allein oder mit den Müttern - gehen auf die Bergweiden, wenn sie kräftiger sind. Es gibt Situationen, wo Elektro-Zäune zu unflexibel sind, das Gelände Koppeln nicht zulässt oder gemischte Tierarten gehalten werden, die unterschiedliche Raumansprüche haben. Wo Zäunung nicht möglich ist, setzen Züchter von Weidetieren oft Herdenschutzhunde ein. Renato Semenzato und Erich Höchenberger betonten, dass diese Hunde sorgfältig an Weidetiere, an Menschen und Familienhunde sozialisiert sein müssen. Das heißt, dass sie von klein auf Weidetiere kennen, Kontakt mit unterschiedlichen Menschen haben und sich von Lärm, Fahrrädern und anderen Hunden nicht provozieren lassen. Wer sich für Herdenschutzhunde interessiert, tut gut daran, sich von Fachleuten beraten und begleiten zu lassen. Leider ist in Südtirol noch keine Aussicht auf diesen Service und auf finanzielle Unterstützung. Zum Abschluss des Kurses kredenzte die Sozialgenossenschaft Vinterra Bier aus Imst und Brote mit Käse und Wurst aus lokaler Herstellung, denn die Veranstalter unterstrichen, wie entscheidend es ist, den Kreislauf der Weidetierhaltung zu schließen. Dazu gehören faire Preise für die Schlachttiere und eine geschickte lokale Vermarktung, auch hier wäre mehr Beratung und anfängliche Unterstützung wichtig.

Redaktion

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