Franz Fischler (links) und Richard Theiner.
Zahlreiche Gäste ließen sich den Vortrag nicht entgehen.

Die Welt ohne Hunger…

… ist noch nicht geschaffen. In Latsch wurde aber davon geträumt.

Publiziert in 19 / 2023 - Erschienen am 24. Oktober 2023

LATSCH - „Wir befinden uns in einer dramatischen Situation, da dürfen wir uns nicht täuschen“, betonte Franz Fischler. Der Nordtiroler war als ÖVP-Politiker von 1989 bis 1994 österreichischer Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, von 1995 bis 2004 war er als EU-Kommissar in Brüssel für die Ressorts Landwirtschaft und Entwicklung des ländlichen Raumes zuständig. Fischler fand beim Vortrag am 16. Oktober im Latscher CulturForum klare Worte. Das Datum für die Veranstaltung, die vom Weltladen Latsch organisiert wurde, war dabei nicht zufällig gewählt, schließlich war es der Welternährungstag. Ein Blick auf die Zahlen reiche, um zu begreifen, wie katastrophal die Hungersnot ist. Über 783 Millionen Menschen weltweit leiden an Hunger, alle 13 Sekunden stirbt ein Kind an den Folgen des Hungers. Der Titel des Vortrags, „Eine Welt frei von Hunger“, klang anhand solcher Zahlen freilich wie eine Utopie. Aber: Es gelte Schritte zu setzen, zu informieren, zu sensibilisieren und schlussendlich etwas zu tun, um die weltweite Ernährungssicherheit zu gewährleisten.

Von den Zielen weit entfernt
Vom Ziel der Vereinten Nationen, den Hunger bis 2030 auszurotten und einen Zugang zu ausreichend und ausgewogener Nahrung für Alle zu schaffe, sei man noch weit entfernt. Stattdessen steige der Hunger weltweit wieder an. Laut aktuellen WHI (Welthunger-Index) habe es seit 2015 kaum Fortschritte gegeben. Die Verbreitung von Unterernährung ist seit 2017 gestiegen, am katastrophalsten sei die Lage in der zentralafrikanischen Republik, gefolgt von Madagaskar, Burundi, der Demokratischen Republik Kongo, Lesotho, Niger, Somalia, Süd-Sudan und Jemen, wo das Hungerproblem überall als sehr ernst eingestuft wird. In weiteren 34 Ländern sei die Lage ernst.
Ein Patentrezept um das Problem zu lösen, gebe es nicht. Es gelte, die Ursachen zu bekämpfen – und diese zu erkennen. Mehr als zwei Drittel sind laut Fischler auf militärische Konflikte und Terror zurückzuführen. „Das ist die Hauptursache für den weltweiten Hunger“, unterstrich der Österreicher. Die wirtschaftliche Armut mache ein Viertel aus, Wetterextreme etwa zehn Prozent. Ein zentrales Problem in Bezug auf den Klimawandel sei dabei auch unser Essverhalten, mahnte der Referent. „Der überproportionale Fleischkonsum der reichen Länder muss überdacht werden“.

Verrottung von Lebensmitteln ein großes Problem
Ein großes Problem sei das Wegwerfen von Lebensmitteln in reichen Ländern, aber auch die „Verrottung von Lebensmitteln“ in ärmeren Ländern. In einigen Gebieten seien dies rund 30 Prozent. „Weil oft die Standards für die Lagerung nicht gut genug sind“, erklärte der Referent. Die Zeit, in der Lebensmittel aufgrund der Preiskalkulation vernichtet werden, sei jedoch glücklicherweise vorbei. Ein Problem sei jedoch oft das Ablaufdatum, was eigentlich ein Mindesthaltbarkeitsdatum sei. „Daher werden viele Lebensmittel vernichtet. Es ist höchste Zeit, dass dieses System überdacht wird“, so Fischler.
„Die globale Ernährungssicherheit gelingt nur durch Friedenssicherung, durch innere und äußere Sicherheit, durch Armutsbekämpfung, durch Bekämpfung des Klimawandels und durch die Anpassung daran, durch Resilienz und durch internationale Kooperationen“, zählte Fischler auf. Darauf, wie die dauernde weltweite Friedenssicherung gelingen soll, hatte der Nordtiroler bei der Diskussion mit dem Publikum selbst keine Antwort. „Das weiß wohl niemand. Wir sollten uns aber selbstständiger machen, weniger abhängig von Gas- und Ölländern, welche Kriege führen“, so Fischler.

„Bio nicht das Allheilmittel“
Dem Hinweis aus dem Publikum, dass unter anderem aufgrund des Klimawandels nur biologische Landwirtschaft sinnvoll für die Zukunft sei, entgegnete Fischler in Bezug auf die globale Ernährungssicherheit: „Es ist ein zu einfacher Gedanke, wenn man meint, man stellt alles auf Bio um und dann wären alle Probleme gelöst“.  Man müsse sich aufgrund des Klimawandels auch anpassen, dies könne die Natur alleine nicht bzw. dies dauere zu lange. „Wir müssen ideologiebefreit sprechen und uns auf die Wissenschaft verlassen. Ich bin auch pro Bio, aber ehrlich genug um zu sagen, dass wir damit nicht die Welt retten“, betonte Fischler.  

Auf Problematik aufmerksam machen
„Die Hungersnot ist einer der größten Missstände, wir müssen darauf aufmerksam machen“, betonte Richard Theiner, der als Obmann des Weltladens zum Vortrag geladen hatte. Man wolle es zwar oft nicht wahrhaben, aber man müsse sich mit dem Thema auseinandersetzen. „Darum sind solche Vorträge so wichtig“, so Theiner. Der Weltladen versuche im Kleinen, Akzente zu setzen und durch fairen Handel einen Schritt in eine bessere Zukunft zu gehen. „Das ist unsere Pflicht“, unterstrich der Weltladen-Obmann.

Michael Andres

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