Dekan Josef Mair segnete die Stele aus Göflaner Marmor

Der Vergangenheit einen Namen geben

Publiziert in 19 / 2016 - Erschienen am 18. Mai 2016
Eine Gedenkstele vor der Spitalskirche in Schlanders erinnert an Rosa Unterweger, Opfer des NS-Euthanasie-Programmes Schlanders - Rosa Maria Teresa Unterweger ist am 12. Mai 1931 im Gemeindespital in Schlanders zur Welt gekommen. Aufgrund ihrer geistigen Beeinträchtigung kam sie zuerst in eine Einrichtung bei Mailand, nach der Option der Mutter ins St.-Josefs-Institut nach Mils bei Hall in Tirol und später in die Heil- und Pflegeanstalt Kaufbeuren. Dort verstarb sie mit 12 Jahren an den Folgen von medizinischen Experimenten. Am 12. Mai 2016 wäre Rosa 85 Jahre alt geworden. An diesem Tag fand sich eine kleine Delegation von Vertretern der Gemeindeverwaltung, der Bibliothek, des Bildungsausschusses, des Krankenhauses und der Nachbarschaft bei der Spitalskirche ein, um der Segnung der Gedenkstele beizuwohnen zur Erinnerung an das Schlanderser Mädchen, an dem unvorstellbare Gräueltaten begangen wurden. Auf Initiative von Andreas Conca, Primar für Psychiatrie am Landeskrankenhaus Bozen, gelangten im Jahr 2014 die Krankengeschichten von zehn Südtiroler Kindern, die der „wilden Euthanasie“ der Nazis zum Opfer gefallen sind, in die Hände von Bürgermeister Dieter Pinggera. Darunter war auch Rosa Unterweger. „Ich war geschockt, als ich die Dokumentation einer gezielten und kontrollierten Tötung der Kinder durch Medikamente durchlas“, so der Bürgermeister. Gemeinsam mit einer Arbeitsgruppe und der damaligen Vizebürgermeisterin Monika Wunderer wollte die Gemeindeveraltung dem Mädchen Rosa Unterweger sein Gesicht, seinen Namen und seine Würde zurückgeben. Mehrere Initiativen wurden gestartet, darunter eine Dokumentation der Schicksale aller zehn Kinder in Zusammenarbeit mit dem Bildungsausschuss, der Bibliothek und dem Künstler Thomas Simeaner. Eine weitere Initiative war ein Workshop und die Broschüre „Rosa Unterweger ein Gesicht geben“ am Realgymnasium Schlanders, in der das NS-Euthanasie-Programm, die Aktion T4 und die „Kranken“-Akte erklärt wurden. Dekan Josef Mair segnete die Stele aus Göflaner Marmor und warnte eindringlich vor erstarrten Ideologien und Blindheit. Er bezeichnete die Stele als ein Mahn- und Friedenszeichen. Primar Andreas Conca dankte den Schlandersern sichtlich gerührt, dass sie ihrer Mitbürgerin Rosa ihre Einzigartigkeit und Individualität zurückgegeben haben. Er dankte auch Rosa, denn sie stehe heute dafür, wie wir mit Fremden, mit menschlichem Leben und mit Kranken umgehen. „Das Grausame des Menschen ist auch jetzt noch da!“ sagte er, „in vielen Ländern erleben Menschen heute noch viele Grausamkeiten“. Nach den würdevollen Klängen einer Bläsergruppe der Musikkapelle Kortsch rief Bürgermeister Dieter Pinggera alle Schlanderser Bürger auf, den Namen Rosa Unterweger und ihr trauriges Schicksal kennenzulernen. Im Anschluss an die Segnung der Erinnerungsstele gab es eine Autorenlesung mit Petra Hofmann, Gewinnerin des Publikumspreises des Franz-Tumler-Literaturpreises 2015, aus dem Roman „Nie mehr Frühling“ im Sitzungssaal des alten Spitals. INGE
Ingeborg Rainalter Rechenmacher

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