Der Teufelskreis der Schlafstörung
Martin Fronthaler: „Das Problem ist weniger der fehlende Schlaf, sondern was ich in der schlaflosen Zeit mache.“
Schlanders - Es ist schon wieder soweit! Was ist denn mit mir los? Wie soll ich morgen bei der Arbeit funktionieren? Wenn jemand wiederholt in den frühen Morgenstunden erwacht, sich diese Fragen stellt, zum Grübeln beginnt und Angst hat, nicht wieder einschlafen zu können, leidet er unter einer Schlafstörung. „Das Problem bei Schlafstörungen ist weniger der fehlende Schlaf, sondern was ich in der schlaflosen Zeit mache.“ Das war die Kernaussage von Martin Fronthaler, der am 30. November in der Mittelschule Schlanders auf Einladung der KVW Ortsgruppe Schlanders zum Thema „Schlafstörungen – was nun?“ referierte. Martin Fronthaler ist Psychologe und Psychotherapeut. Er leitet das Therapiezentrum Bad Bachgart in Rodeneck, wo es 65 Therapieplätze gibt und wo Menschen mit Depressionen, Angststörungen, Zwängen, verschiedenen Abhängigkeiten (Alkohol, Spielsucht usw.), Persönlichkeitsstörungen, Essstörungen und anderen Krankheitsbildern behandelt werden.
„Oft stimmt etwas mit der Psyche nicht“
Schlafstörungen gehen laut dem Referenten oft mit psychosomatischen Erkrankungen einher: „Ständiges Erwachen oder Schlaflosigkeit äußern sich oft als Symptome dafür, dass in der Seele oder im Geist etwas nicht stimmt.“ Nur 30% der Schlafstörungen seien auf organische Ursachen zurückzuführen, wie z.B. auf neurologische Erkrankungen, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Rheuma, Krebs und weitere Krankheiten. Mit 70% ist der Anteil der nichtorganischen Schlafstörungen deutlich größer. „Jeder dritte Mitteleuropäer klagt über Schlafstörungen, wobei 10% davon eine schwere, behandlungsbedürftige Störung aufweisen“, führte Frontaler aus. Bei Menschen, die älter als 65 sind, haben bereits mehr als 40% Probleme mit dem Ein- oder Durchschlafen. Zu bedenken gab der Referent, dass im Durchschnitt 12 Jahren vergehen, bis Menschen, die unter Schlafstörungen leiden, zum spezialisierten Arzt oder Psychologen gehen.
Untertags müde und angespannt
Zumal der gesunde Schlaf den Körper regeneriert, die Immunabwehr stärkt, vorzeitige Alterung verhindert und laut Fronthaler sogar vor Alzheimer schützt, kann man sich leicht vorstellen, was es bedeutet, wenn man wiederholt überhaupt nicht oder nur schlecht schläft: man fühlt sich untertags müde, man ist angespannt, antriebslos, reizbar und nicht mehr imstande, sich zu konzentrieren und all jene Leistungen zu erbringen, die einem früher leicht von der Hand gingen. In den Teufelskreis der Schlafstörung geraten laut Fron-
thaler weniger jene Menschen, die leicht abschalten und Probleme und Sorgen ausblenden können, „sondern mehr die Perfektionisten, die Verantwortungsbewussten, die ‚Helfer’, Idealisten, Ja-Sager und jene, die Harmonie brauchen, kurzum ‚gute’ Menschen.“ Und genau bei solchen Menschen entwickelt sich oft die Angst, nicht einschlafen oder nach dem Erwachen nicht mehr weiterschlafen zu können.
Ratschläge, Tipps und falsche Mythen
Verabschieden sollte man sich laut Fronthaler von bestimmten Mythen und falschen Vor-
stellungen, etwa von jener, wonach man versuchen sollte, nach einer schlaflosen Nacht am nächsten Tag „nachzuschlafen“ oder sich tagsüber zu schonen: „Die Tagesaktivität ist eine notwendige Bedingung für einen gesunden Nachtschlaf.“ Bei Durchschlafstörungen sollte man versuchen, möglichst spät ins Bett zu gehen, „denn je weniger Zeit man im Bett verbringt, umso tiefer und erholsamer ist der Schlaf.“ Von Alkoholkonsum vor dem Schlafen riet Fronthaler ab. Das Bett sollte nur zum Schlafen genutzt werden: „Schauen Sie im Bett nicht fern, lesen, essen oder telefonieren Sie nicht. Grübeln Sie nicht, oder wenn, dann positiv.“ Vor der regelmäßigen Einnahme von Schlaf-Medikamenten warnte der Referent, „denn davon kann man abhängig werden.“ Sehr wohl aber können Schlaftees helfen, der Wechsel der Matratze, Akupunktur, Homöopathie und viele weitere Mittel und Techniken, die Ruhe, Entspanntheit und Müdigkeit bringen. Auch sexuelle Aktivität macht müde. Ein besonderes Augenmerk richtete Fronthaler auf Schlafstörungen bei älteren Menschen. Zumal viele ältere Personen auch tagsüber nicht selten wiederholt ein „Nickerchen“ machen, sei es normal, „dass man dann nicht mehr die ganze Nacht durchschläft.“