Begegnung neu denken
Wertvolle Impulse und Anregungen bei Churburger Wirtschaftsgesprächen
Schluderns - „Begegnung neu denken“ lautete das Motto der Churburger Wirtschaftsgespräche 2022. Der erste Teil der Gespräche fand am 21. Oktober in der Eurac in Bozen statt, der zweite am Tag danach im „Vuseum“ in Schluderns, wo Bürgermeister Heiko Hauser und Museumspräsident Toni Patscheider das Referententeam und die Teilnehmenden begrüßten. Johannes Graf Trapp, der die Wirtschaftsgespräche vor 36 Jahren initiiert hatte, konnte wegen einer privaten Verpflichtung in Rom heuer nicht anwesend sein. Seit 2019 werden die Wirtschaftsgespräche von der Eurac organisiert, wobei ein Konferenztag immer in Schluderns stattfindet. In das Vintschger Museum eingeladen haben am 22. Oktober Eurac Research, BASIS Vinschgau Venosta und die Bürgergenossenschaft Obervinschgau. Harald Pechlaner, der Leiter des „Center for Advanced Studies“ von Eurac Research erinnerte einleitend an die vielen bisherigen Churburger Wirtschaftsgespräche, bei denen stets wirtschaftliche, soziale, kulturelle und politische Themen im Mittelpunkt standen. Das heurige Motto „Begegnung neu denken“ sei speziell nach den Pandemie-Jahren aktueller denn je: „Die Welt ist schwieriger geworden, die Ungleichheit nimmt zu, nicht nur ökonomisch, sondern auch gesellschaftlich.“ Der Trend zur Individualisierung und zur „Verpanzerung“ habe Hochkonjunktur, während die Solidarität, das Miteinander, die Kommunikation auf Augenhöhe und die Fairness Schaden nehmen.
Neu denken und neu lernen
„Daher müssen wir Begegnung neu denken und wahrscheinlich auch neu lernen“, so Pechlaner. Für Hannes Götsch (BASIS Vinschgau Venosta) sind Begegnungen unterschiedlichster Personen, wie sie in der BASIS stattfinden, ein wichtiger Schlüssel für neue Wege sowie für Möglichkeiten der wirtschaftlichen, kulturellen und gesellschaftlichen Entfaltung. Die BASIS wolle Plattform für Begegnungen sein, ein dynamischer Motor, der auch die lokale Wirtschaft bereichern kann, und ein Ort, wo das Gefühl für neue Möglichkeiten wächst: „Das wirklich Spannende ist oft das nicht Planbare.“ Michael Hofer, der Geschäftsführer der Bürgergenossenschaft Obervinschgau, die 2016 gegründet wurde, die mittlerweile ca. 150 Mitglieder zählt und die 16 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beschäftigt, verwies auf das Bestreben der Genossenschaft, starre Strukturen aufzubrechen, neue Wege zu gehen und nicht den Gewinn als Maxime voranzustellen, sondern nachhaltiges und ökologisches Wirtschaften. Als konkrete Beispiel nannte er u.a. die Führung der Dorfsennerei Prad, die Vermarktung biologischer Produkte oder die Zusammenarbeit mit der Sozialgenossenschaft Vinterra.
Auch die Politik ist gefragt
Lösungsansätze, die von unten wachsen, seien ebenso gefragt wie Ansätze seitens der Politik, damit die Akteure überleben können. Hofer bezog sich hierbei auch auf die Strompreise und den „harten Winter, der uns bevorsteht.“ Zum weiteren Referentenstab in Schluderns gehörten Klaus-Heiner Röhl vom Institut der deutschen Wirtschaft Köln, der aus Berlin zugschaltet war und zum Thema „Regionale Entwicklung und Regionalpolitik in der EU“ sprach, die Politikwissenschaftlerin Elisa Piras (Eurac Research), die zum Thema Multikulturalismus in Europa als soziale und wirtschaftliche Ressource referierte sowie Jana Ganzmann, die Co-Gründerin des Impact Hub Tirol, die darüber sprach, was Innovation in Zukunft braucht. Am Nachmittag war u.a. der Historiker Kurt Gritsch zu Gast, der sich in einem Arge Alp-Projekt im Begegnungsraum Dreiländereck Graubünden, Tirol und Südtirol mit Migration und Tourismus beschäftigt. „Vor allem in Grenzregionen ist der Wunsch, sich abzugrenzen utopisch. Begegnungen sind unvermeidbar, um aber Wirkung zu entfalten, brauchen sie Freiräume“, sagte Gritsch. Bürokratie und eine zu detaillierte Erwartungshaltung engen Begegnung ein. Man müsse immer von den Bedürfnissen der Menschen ausgehen, die an einem Ort leben. Gritsch präsentierte verschiedene Stufen der Begegnung und verwies im Besonderen auf die „reklamierende“: „Es geht nicht darum, ein Kreuzchen zu machen, damit andere für mich entscheiden. Ziel ist eine Zivilgesellschaft, die initiiert und einfordert.“
Die Erfahrungen eines Wandergesellen
Dass Begegnung über sprachliche, kulturelle und geographische Grenzen hinweg möglich ist, zeigte Johannes Abart aus Schleis auf. Der gelernte Fliesenleger war 4 Jahre lang als Wandergeselle auf der Walz zwischen Polen, Marokko, Portugal und anderen Ländern. „Die Begegnungen und Beziehungen auf der Wanderschaft verändern den eigenen Horizont und es bleibt viel Zeit, über sich selbst nachzudenken. Das Materielle verliert an Bedeutung und man erlangt auch dadurch eine ganz neue Freiheit“, sagte Johannes Abart. Dass süberregionale Zusammenarbeit funktionieren kann, zeigte Luca Marrollo, Geschäftsführer von Euregio Connect, am Beispiel des Radrennens „Tour of the Alps“ auf.