Auch Schluderns könnte Mariendorf sein
Schluderns - Sepp Mall ist ein Begriff. Das zeigte sich, als Bibliotheksleiterin Sonja Abart den Schriftsteller aus Graun im Rahmen der „Katharina-Woche“ nach Schluderns einlud. An die 50 Besucher saßen, standen und lehnten in der kleinen Bibliothek. Sie alle wollten sich die Vorstellung des Romans „Ein Hund kam in die Küche“ nicht entgehen lassen. Zumal das Buch für den Deutschen Literaturpreis nominiert worden war. Mall hatte zwei unselige Kapitel der Südtiroler Geschichte aufgegriffen: Die Option von 1939 und den Umgang der Nationalsozialisten mit dem sogenannten „unwerten Leben“, mit der Euthanasie. In seiner Einführung erklärte er: „Im ersten Kapitel – aus dem ich lese – ist die Familie noch in Südtirol; sie bereitet sich aufs Wegziehen aus Mariendorf vor. Es könnte auch ein Ort wie Schluderns sein.“ Mall lässt Ludi, Bruder des jüngeren Anton, der seinen Namen nur als Hanno aussprechen kann, in „bilddichtender“ Sprache erzählen, dass die Nachbarn Hanno als „zurück geblieben“ eingestuft haben. Der Familie wurde ein Zimmer im Bahnhofshotel von Innsbruck zugewiesen, als auf Anraten der Ärzte Hanno in ein Heim eingewiesen wurde. Er werde dort gehen und sprechen lernen, hieß es. Die Familie wurde weitergeschickt in den damaligen Oberdonau-Gau, das heutige Oberösterreich. Der Vater musste bald einrücken. Die Mutter versuchte mit Hannos Heim in Kontakt zu treten. Ludi soll einen Brief schreiben, er habe so eine schöne Schrift. „Es wurde Winter“ erzählte Ludi, „dann kam der Frühling … dann etwas Schreckliches: Man hat geschrieben, dass Hanno an einer Lungenentzündung verstorben sei“. Die Begegnung mit Sepp Mall wurde durch die Anwesenheit eines Zeitzeugen aufgewertet. Altpfarrer Alfred Gander, Jahrgang 1934, erzählte, er sei 5 Jahre gewesen, als seine Eltern „für außi optiert“ hätten. Ein Besucher aus Prad bedauerte, dass „das wertvolle Buch“ nicht früher erschienen sei. Er hätte vor 20 Jahren Eltern und Großeltern über die Optionszeit befragen können. Wie der Hund in die Küche und ins Buch gekommen ist, entdeckt der Leser erst später. Mall lässt einem Mädchen auf dem Pferdewagen das Lied „Ein Hund kam in die Küche und stahl dem Koch ein Ei“ anstimmen. Auch Hanno verstand den Text, den die Jugendlichen hinausbrüllten.