Asyl in Naturns
4 Wohnungen ausfindig gemacht. Fast 20 Asylwerber sollen innerhalb 2017 einziehen.
Naturns - Schon vor einiger Zeit hatte der Gemeinderat von Naturns mehrheitlich beschlossen, sich am staatlichen Modell SPRAR (Sistema di Protezione per Richiedenti Asilo e Rifugiati) zur Aufnahme von Asylwerbern zu beteiligen. Im Gegensatz zur Schaffung großer Aufnahmezentren sieht dieses Modell kleine Wohneinheiten als Unterkünfte für Asylwerber vor. Wie Bürgermeister Andreas Heidegger und die Integrationsbeauftragte Margot Tschager Svaldi am 14. Juni bei einem sehr gut besuchten Informations- und Diskussionsabend im Bürger- und Rathaus berichteten, sei die Gemeinde Naturns vom Land gebeten worden, möglichst rasch nach Unterkünften Ausschau zu halten. In Naturns soll die Umsetzung des SPRAR-Modells noch 2017 beginnen, und nicht erst ab 2018. „Es ist uns gelungen, 4 Wohnungen für insgesamt 18 bis 19 Menschen zu finden“, so Tschager Svaldi.
Platz für rund 20 Menschen
2 Wohnungen stellt die Pfarre zur Verfügung und 2 die Alperia im alten Schnalser Kraftwerk. Die Integrationsbeauftragte informierte auch über die bisherige Integrationsarbeit in der Gemeinde Naturns, etwa über verpflichtende Deutschkurse, wie sie schon seit Jahren in Zusammenarbeit mit dem Sozial- und Schulsprengel sowie mit Hilfe vieler Freiwilliger angeboten werden. Als positives Beispiel privater Integrationsleistung nannte sie die Obstgenossenschaft Texel: „Die Mitarbeiter müssen verpflichtend an Deutschkursen teilnehmen. Die Kursstunden werden ihnen als Arbeitsstunden bezahlt.“ Auch mit Fakten und Zahlen, die für sich sprechen, wartete Tschager Svaldi auf. Zum Stichtag 7. Juni 2017 belief sich die Einwohnerzahl in der Gemeinde Naturns auf 5.820. Unter diesen befinden sich 251 Mitbürger aus dem EU-Raum und 199 Nicht-EU-Bürger aus 19 Staaten. Die Zahl der Grund- und Mittelschüler beläuft sich auf insgesamt 517, wobei 23 davon aus Nicht-EU-Ländern stammen.
Rechte, aber auch Pflichten
„Jeder, der zu uns kommt, hat Rechte und Pflichten“, so Tschager Svaldi. Die bisherigen Erfahrungen hätten gezeigt, „dass die meisten ihre Pflichten sehr ernst nehmen. Natürlich gibt es auch einige schwarze Schafe.“ Die Gemeinde fürchte sich nicht vor der neuen Herausforderung. Es habe bereits ein Treffen mit 25 Vereinsvertretern gegeben, um Möglichkeiten der Integration auszuloten. Außerdem werde man die Asylwerber im Gemeindeblatt vorstellen. Auch der Bürgermeister und die Sozialreferentin Christa Klotz Gruber kündigten an, dass sich die Gemeindeverwaltung zusammen mit der Bezirksgemeinschaft und einem bereits bestehenden Team von Freiwilligen um eine gute Integration auf allen Ebenen bemühen werde. „Ich habe in der Bevölkerung einerseits große Solidarität gespürt, andererseits gibt es aber auch offenen Frage, ein bestimmtes Unbehagen sowie Sorgen und Ängste, die wir ernst nehmen“, so Heidegger. Über den derzeitigen Stand der Aufnahme von Asylwerbern im Burggrafenamt informierte Florian Prinoth, der Direktor der Bezirksgemeinschaft. Für das Burggrafenamt habe das Land Unterkünfte für insgesamt 354 Asylwerber vorgesehen.
Die Situation im Burggrafenamt
251 Plätze seien bisher geschaffen worden, 103 sollen von der Bezirksgemeinschaft bzw. den beteiligten Gemeinden über das SPRAR-Modell bereitgestellt werden. Mit Impulsreferaten eingeleitet hatten den Abend der Historiker und Migrationsforscher Kurt Gritsch sowie Pater Peter, Pfarrer in Jenesien. Gritsch beleuchtete die Geschichte und Ursachen der Migration weltweit und im Besondern in Südtirol. Südtirol sei erst 1992 vom Auswanderungsland zum Einwanderungsland geworden. Weltweit seien derzeit über 63 Millionen Menschen auf der Flucht. „Migration ist eine Tatsache. Entweder wir bekämpfen sie, oder wie gestalten sei“, sagte Gritsch. Ängste führen zu Unsicherheit und werden oft durch die Berichterstattung verstärkt. Außerdem äußern sich Ängste nicht selten in Form von Vorurteilen. Pater Peter, der im Vorjahr für kurze Zeiträume eine syrische Familie und zwei Einzelpersonen im Widum aufgenommen hatte, bedauerte, dass es so viele Menschen auf der Welt gibt, die kein Recht haben und die nirgends dazu gehören. Wo es um Not geht, „darf man nicht wegschauen. Das ist unmenschlich.“
Und wenn noch weitere kommen?
Bei der von Eberhard Daum moderierten Diskussion wurden viele Aspekte und Fragen aufgeworfen. Auf die mehrfach geäußerte Frage, ob in Zukunft noch weitere Asylwerber nach Naturns kommen könnten, meinten Heidegger und Prinoth: „Es gibt keine Garantie dafür, dass es bei den rund 20 bleiben wird.“ Keine konkrete Antwort konnte auch auf die Frage gegeben werden, ob nur junge Männer kommen oder auch Familien. Prinoth: „Die Auswahl wird von der Landesverwaltung vorgenommen. Es ist anzunehmen, dass es sich beim Großteil um junge Männer handeln wird.“ Zu bedenken gegeben wurde, dass viele Asylwerber, deren Antrag abgelehnt wird, in der Folge untertauchen bzw. in die Kriminalität abdriften. Klotz Gruber sagte, dass das SPRAR-Projekt auf drei Jahre ausgelegt sei. Man werde versuchen, sich bereits während dieser Zeit um Wohn- und Arbeitsmöglichkeiten zu bemühen. Mehrfach angesprochen wurde auch das Thema Sicherheit, speziell was die Alperia-Wohnungen betrifft. Der Bürgermeister sicherte Maßnahmen und Vorkehrungen für ein reibungsloses Miteinander aller Mieter zu.
Begleitung und Betreuung
„Die Asylwerber werden begleitet und betreut“, so Heidegger, auch gesundheitlich und psychologisch. Bezüglich der aufgeworfenen Themen wie Gewalt, Terrorismus und Kriminalität warnte Kurt Gritsch davor, „Menschen, die fliehen, in Generalverdacht zu stellen.“ Man dürfe nie von Einzelfällen auf gesamte Gruppen schließen. Auch das Thema der organisierten Bettelei, das mehrfach zur Sprache kam, habe mit dem Thema Asyl nichts zu tun. Ein Diskussionsteilnehmer warf der Gemeindeverwaltung vor, erst dann vor die Bürger zu treten, wenn alles schon beschlossene Sache sei. Aus mehreren Wortmeldungen war eine positive Einstellung zur Aufnahme von Asylwerbern herauszuhören. Besonders wichtig sei es, mit den neuen Mitbürgern in Kontakt zu treten und sie nicht abseits stehen zu lassen. Auch Vorschläge und Anregungen wurden unterbreitet, wie etwa ein Begegnungsfest bei der Ankunft der Asylwerber. Unter die Haut ging folgender Satz aus dem Publikum: „Wir dürfen den Kopf nicht in den Sand stecken. Als Südtiroler schäme ich mich, wenn ich Zustände sehe, wie sie zum Teil in Bozen zu beobachten sind, oder wenn ich sehe, dass Menschen wie streunende Hunde irgendwo in Kartons dahinvegetieren.“