Als in Stilfs das Licht anging
„100 Jahre E-Werk“ gebührend gefeiert. Errichtung eines neuen Kraftwerks im Visier.
Gomagoi - „Das elektrische Licht brannte heute Abend in Stilfs das 1. Mal. Es sind nur 200 Stück 32 Birnen vorrätig, weshalb jede Partei zunächst nur ein Licht bekommt.“ So hat der Schulleiter Heinrich Waschgler am 30. November 1921 in der Dorfchronik die Ankunft des elektrischen Lichts beschrieben. Am 6. Dezember desselben Jahres notierte er: „Auf dem Kirchplatz wurde heute ein Lichtmast aufgestellt und eine 50 Lampe angebracht. Das ist nun die ganze öffentliche Beleuchtung in Stilfs.“ Es war Pfarrer Alois Patscheider, der im November 1920 von der Kirche aus eine Versammlung einberufen hatte, um das Elektrizitätswerk Stilfs zu gründen. Wenige Monate nachher wurde der erste Vorstand gewählt. Wie Waschgler 1921 weiter vermerkt, hat Pfarrer Patscheider „für das Elektrizitätswerk bisher das Meiste getan und alle Schreibarbeiten besorgt.“ Seit der Gründung vor über 100 Jahren bis heute hat sich die Elektrizitätswerk Stilfs Genossenschaft stetig weiterentwickelt und ist längst zu einer bedeutenden Einrichtung in der Gemeinde Stilfs geworden, in erster Linie für die derzeit über 530 Mitglieder. Die Genossenschaft ist aber nicht nur Energieversorger in der Gemeinde mit drei Kraftwerken (Trafoibach, Tramentan, Furkelbach), sondern auch in den Bereichen Fernwärme (Fernheizwerk Trafoi) und Glasfaser tätig.
„Pionierleistung in zweifacher Hinsicht“
Gebührend gefeiert wurde der 100ste Geburtstag am 9. Juli in einem Festzelt auf dem Parkplatz hinter der Festung Gomagoi. Fällig gewesen wäre die Feier zwar schon 2021, musste aber aus Pandemiegründen auf heuer verschoben werden. Neben vielen Mitgliedern, dem Mitarbeiterteam und den Führungsgremien der Genossenschaft konnte Obmann Luis Reinstadler auch zahlreiche Ehrengäste willkommen heißen, u.a. auch amtierende und ehemalige Politiker, wie etwa den früheren Landesart Richard Theiner oder den ehemaligen Bürgermeister Sepp Hofer. Bürgermeister Franz Heinisch, der Kammerabgeordnete Albrecht Plangger und Paul Gasser, der Generaldirektor des Raiffeisenverbandes Südtirol, hoben in ihren Grußworten übereinstimmend die Bedeutung der 1921 gegründeten historischen Energiegenossenschaft hervor. „Die Gründung war eine genossenschaftliche und zugleich eine technisch-innovative Pionierleistung“, sagte Gasser und erinnerte daran, dass das E-Werk Stilfs als 8. Elektrizitätsgenossenschaft in Südtirol gegründet worden ist. Wie Gasser verwies auch der Bürgermeister darauf, dass die Genossenschaft saubere, ausschließlich erneuerbare und somit nachhaltige Energie produziert. Plangger erinnerte u.a. an die Rolle, welche die Obmänner der „historischen“ Genossenschaften Stilfs und Prad im Zusammenhang mit dem Vinschger „Stromkampf“ und den dabei erzielten Errungenschaften gespielt haben. Namentlich nannte er den Vordenker und Visionär Georg Wunderer aus Prad, der 2018 gestorben ist, den früheren Obmann des E-Werks Stilfs, Otto Moser, und den jetzigen Obmann Luis Reinstadler. Plangger sicherte zu, dass er sich gemeinsam mit dem Landtagsvizepräsidenten Sepp Noggler dafür stark machen werde, dass die Elektrizitätswerk Stilfs Genossenschaft das Kraftwerksprojekt, für das sie schon lange kämpft, in Zusammenarbeit mit dem Nationalpark Stilfserjoch verwirklichen kann.
„Es wäre fahrlässig, den Suldenbach nicht zu nutzen“
Klare Worte zum Kraftwerksprojekt fand der Wasserbauingenieur Walter Gostner (Ingenieure Patscheider & Partner GmbH), der über die vor und 10 Jahren neu gebauten bzw. sanierten Wasserkraftwerke Tramentan und Furkelbach informierte. Laut Gostner sei es falsch, „die Nutzung von Fließgewässern im Nationalpark per se zu untersagen.“ Der Suldenbach berge ein sehr großes hydroelektrisches Potential: „Man wäre imstande, zwischen Unterthurn und Stilfser Brücke eine Leistung von 50 Millionen kWh zu generieren.“ Durch eine ökologisch verträgliche Nutzung, die durchaus möglich wäre, und die Bereitstellung von Umweltgeldern könnten damit auch die Ziele des Nationalparks mitgetragen werden. In Zeiten des Klimawandels sei es aus der Sicht von Gostner „geradezu fahrlässig, die Nutzung des Suldenbachs nicht zuzulassen bzw. die möglichen Projekte über Jahre hinauszuzögern.“
Der Blick zurück
Besonders gefreut sich Franz Angerer, der als Moderator gekonnt durch das Festprogramm führte, erstmals einen Film vor breitem Publikum zeigen zu können, der bereits 2012 nach einer Idee von Johann Aondio, dem Konzept von Arnold Kuntner und dem Filmemacher Eberhard Reinstadler aus Sulden entstanden ist. Der Film gewährt einen anschaulichen Rückblick auf die Geschichte der ersten 90 Jahre des E-Werks Stilfs und der im Laufe der Jahrzehnte erbrachten Leistungen der früheren und zum Teil auch jetzigen Verantwortlichen. Über Entwicklungen, Leistungen und Neuerungen der vergangenen 10 Jahre berichtete Luis Reinstadler. Derzeit wird u.a. an der Verlegung von Glasfaserkabeln auf das Stilfser Joch gearbeitet. Bis zur Franzenshöhe ist man mit den Baggerarbeiten bereits vorgestoßen. Mit 33,8% ist die Genossenschaft am neuen Suldenbach-Kraftwerk der Energie-Werk-Prad Genossenschaft in Prad beteligt. Die E-Werk Stilfs Genossenschaft produziert pro Jahr durchschnittlich ca. 20 Millionen Kilowattstunden. Das fast ausschließlich unterirdische Verteilernetz im Gemeindegebiet gehört mittlerweile zur Gänze der Genossenschaft. Landeshauptmann Arno Kompatscher und Landesrat Giuliano Vettorato hatten schriftliche Grußbotschaften geschickt, die Franz Angerer vorlas.
Herbert Platzer geehrt
Für nunmehr 32-jährige Tätigkeit als Obmann-Stellvertreter wurde Herbert Platzer mit einer Urkunde geehrt. Ein besonderes Geburtstagsgeschenk, das schon über 100 Jahre alt ist, hat Franz Angerer für die Genossenschaft mitgebracht, nämlich eine Marmortafel mit den altbekannten Drehsicherungen aus seinem Elternhaus, dem ehemaligen Posthotel in Sulden. Musikalisch umrahmt hat die Jubiläums-Feier die Böhmische der Musikkapelle Prad. Pfarrer Florian Öttl segnete die Kraftwerke Tramentan und Furkelbach sowie die Menschen.