Bei der Sitzung ging es heiß her.
Karl Zerzer

Alles auf 0 gestellt 

Neues Dorfzentrum? Naturns diskutiert, streitet und wagt einen Neubeginn. 

Publiziert in 11 / 2023 - Erschienen am 14. Juni 2023

NATURNS - Abschließend übernahm Bürgermeister Zeno Christanell bei der Gemeinderatssitzung am 6. Juni nochmals die Rolle des Beschwichtigers. Dies war auch nötig: teils harte Worte hatten die Sitzung und die Diskussionen rund um das Projekt Rathausparkplatz mit sich gebracht. Zur Erinnerung: Im März war der – insbesondere von Gegnern oft als „Plaza-Projekt“ bezeichnete – Punkt der Tagesordnung „Genehmigung der Abänderung des Gemeindeplanes für Raum und Landschaft. Einfügung einer Zone mit Plan für die städtebauliche Umstrukturierung“ genehmigt worden. Der Rathausparkplatz sollte umgestaltet werden, ein neues Dorfzentrum entstehen. Eine Personengruppe bildete sich und kritisierte das Vorhaben aufs Schärfste. Ein Antrag für eine Volksabstimmung für die Abschaffung des Beschlusses wurde für zulässig erklärt, rund 600 Unterschriften gesammelt. Dies hätte für ein Referendum gereicht, hierfür mussten 10 Prozent der Wahlberechtigten ihre Stimme abgeben.

„Vielleicht zu schnell unterwegs“  

Um die Wogen zu glätten, hatte sich die Mehrheitspartei dazu entschlossen, in einer Gemeinderatssitzung außerhalb des Normalkalenders den Beschluss zu widerrufen. Die Hintergründe: Damit werde auch die Volksabstimmung hinfällig, man könne von null starten. „Und die Bürgerinnen und Bürger von Beginn an miteinbeziehen“, betonte der Bürgermeister. Er hatte die Umgestaltung des Rathausparkplatzes in den vergangenen Monaten vehement verteidigt, erklärte nun aber: „Vielleicht waren wir hier mit zu hoher Geschwindigkeit unterwegs. Es tut mir auch leid, sollte ich die Situation falsch eingeschätzt haben“. Er habe nicht mit solchem Gegenwind gerechnet, die SVP-Mehrheit sei überzeugt davon gewesen, dass eine Umgestaltung des Platzes und eine Tiefgarage erwünscht seien. 

„Der Bevölkerung eine Möglichkeit genommen“ 

Bevor über den Widerruf abgestimmt wurde, hatte Karl Zerzer für das Promotorenkomitee Stellung genommen. Es wäre ein besonderer Moment für die Gemeinde Naturns. Noch nie habe es einen solchen Antrag und eine solche Abstimmung abgegeben. „Mit Widerruf des Beschlusses wird es zu keiner Volksbefragung kommen“, so Zerzer. Damit werde der Bevölkerung eine Möglichkeit genommen. Bei einem Widerruf müsse es nun laut Zerzer und weiteren Promotoren aber in erster Linie darum gehen, gemeinsam mit der Bevölkerung zu klären, „ob eine Verbauung des Rathausparkplatzes überhaupt erwünscht ist“. Erst dann gelte es in weiteren Schritten gemeinsam mit den Bürgern die Möglichkeiten und Wünsche zu erörtern. „Die Bevölkerung muss jedenfalls von Anfang an miteinbezogen werden“, unterstrich Zerzer. 

„Erst gemeinsam diskutieren“ 

Vize-Bürgermeister Michael Ganthaler erklärte, dass der Widerruf zur Deeskalation beitrage: „Nach einer Volksabstimmung, egal wie sie ausgeht, wäre die Möglichkeit gemeinsam weiterzuarbeiten schwierig.“ Die Gemeinde habe in den vergangenen Wochen auf sachliche Information gesetzt, von der Gegenseite sei jedoch häufig populistisch agiert worden. „Eine Abstimmung ist ein letztes Mittel. In einer Dorfgemeinschaft sollten wir erst gemeinsam diskutieren“, erklärte der Vize-Bürgermeister. 
Michael Lochmann von der Süd-Tiroler Freiheit betonte gegenüber der Mehrheit: „Ihr sprecht von mitreden, wir von mitbestimmen“. Die Mehrheit habe das Projekt durchwinken wollen, „das ist nun schiefgegangen“. Nun komme man „vom Regen in die Traufe“. Laut Lochmann seien die 600 Unterschriften ein eindeutiges Zeichen und mit einer Rücknahme des Beschlusses werde der Bürgerwille zu einer Abstimmung ignoriert. Natascha Santer von der Süd-Tiroler Freiheit schlug schließlich vor, den Tagesordnungspunkt mit dem Widerruf zu streichen, was aber mehrheitlich – bei 4-Fürstimmen – abgelehnt wurde. 

Volksabstimmung nun hinfällig 

Als der Punkt des Widerrufs schließlich zur Abstimmung gebracht wurde, ging dieser mit 14 Ja- und 4 Nein-Stimmen durch. Neben den drei Gemeinderäten der Süd-Tiroler Freiheit hatte auch Ana Maria De Castro von der Liste „Für Naturns – Per Naturno“ dagegen gestimmt. Bei 3 Gegenstimmen und einer Enthaltung wurde zudem angenommen, dass der Beschluss sofort vollstreckt wird. 
Wie Gemeindesekretärin Katja Götsch erklärt hatte, sei die rechtliche Folge des Widerrufs die Unzulässigkeit der Volksabstimmung. Dies deshalb, weil es keinen Grund mehr gebe, über den man abstimmen müsse. Den Forderungen der Promotoren sei dadurch entsprochen worden. Hätte es eine Volksabstimmung gegeben, sei das Ergebnis drei Jahre lang bindend gewesen, bei einem Nein hätte man für diese Zeit auf dem Platz baulich gar keine Veränderungen vornehmen bzw. konkret planen dürfen.  Evi Prader von der Liste „Zukunft Naturns“ erklärte, dass man zwar für einen Widerruf sei, aber dass die 600 Unterschriften ein Zeichen seien, „welches es zu respektieren gelte“. Wichtig sei der „Zukunft Naturns“ genauso wie den Promotoren, dass es nun darum gehe festzustellen, ob eine Umgestaltung des Platzes überhaupt erwünscht sei und falls ja, dies gemeinsam mit der Bevölkerung voranzutreiben. 

Nicht ohne das Volk 

Kritik gab es seitens der Opposition und der Promotoren für die zusammenfassenden Worte des SVP-Fraktionssprechers Andreas Pircher, wo es unter anderem nochmals um gegenseitige Schuldzuweisungen ging. Auch Befürchtungen einiger Bürgerinnen und Bürger, „dass nun alles so weitergeht und ein solches Projekt neu beschlossen wird“, stand im Raum. Wie Bürgermeister Christanell aber mehrmals betonte, werde nichts ohne Beteiligung der Bevölkerung geschehen. Die Süd-Tiroler Freiheit kündigte abschließend an, die gesamte Vorgangsweise rechtlich prüfen zu lassen.

Michael Andres

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