Hanspeter Vikoler (links) und Richard Theiner.

800 Millionen haben Hunger …

… und rund ebenso viele Menschen sind übergewichtig. Hanspeter Vikoler informiert über UN-Welternährungsprogramm und zeigt Schwachstellen auf.

Publiziert in 19 / 2024 - Erschienen am 22. Oktober 2024

Latsch - Eines der Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen ist es, die Hungersnot bis 2030 weltweit auszumerzen. „Wie es derzeit aussieht, kann dieses Ziel nicht erreicht werden. Von 2005 bis 2014 ist die Zahl der Menschen, die weltweit von Hunger betroffen sind, zwar zurückgegangen, doch in den vergangenen Jahren hat sich die Lage wieder dramatisch verändert. Zurzeit leidet jeder 11. Mensch auf der Welt an Hunger.“  Es waren keine schönen Zahlen, mit denen Richard Theiner, der Obmann des Weltladens Latsch, am 16. Oktober, dem Welternährungstag, im CulturForum in Latsch aufwartete. Zum Teil noch trüber klangen die Ausführungen von Hanspeter Vikoler, den Theiner als Referenten zum Vortragsabend begrüßen konnte. Der Gufidauner hat 30 Jahre lang für das Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen gearbeitet und war in vielen Krisen-, Kriegs- und Katastrophengebieten im Einsatz. Seit dem heurigen Frühjahr ist er im Ruhestand.

Ziel „Null Hunger“ kaum erreichbar

Auch Vikoler gab sich überzeugt, dass das Ziel „Null Hunger“ in absehbarer Zeit nicht erreichbar ist. Als Hauptursachen dafür nannte er die wachsende Zahl von Kriegen und Konflikten, zum Beispiel in der Ukraine, im Nahen Osten, in Afrika und anderen Ländern, die ungerechte Verteilung der Ressourcen, die unfaire Landverteilung, die neoliberale Handelspolitik, den Anbau von Agrosprit anstelle von Lebensmitteln, die weltweit verbreitete Diskriminierung von Frauen, die wachsende Macht der globalen Großkonzerne, die industrielle Tierhaltung, den Fleischkonsum, die Häufung von Umweltkatastrophen infolge des Klimawandels, den Schwund der Biodiversität und die Verschlechterung der Böden.

Verantwortungslose Regierungen

Eines der größten Probleme im Kampf gegen den Hunger sieht Vikoler darin, „dass die Regierungen betroffener Länder oft korrupt sind und keine Bereitschaft zeigen, ernsthaft Verantwortung zu übernehmen.“ Worunter vor allem Länder im globalen Süden leiden, seien wirtschaftliche, militärische und politische Einflussnahmen sowie neokolonialistische Einmischungen seitens fremder Staaten. Der Welthandelsorganisation, dem Internationalen Währungsfonds und der Weltbank warf er vor, „den Interessen multinationaler Konzerne zu dienen.“ Dies bremse lokale Entwicklungen ein und manövriere arme Länder in Abhängigkeiten – zum Beispiel durch die Gewährung von Krediten – aus denen sie sich nicht mehr befreien können. Dass derzeit weltweit über 800 Millionen Menschen von Hunger betroffen sind und es zugleich in etwa gleich viele übergewichtige Personen auf der Welt gibt, „ist einfach Wahnsinn.“ Dabei werden laut neuesten Erhebungen pro Jahr rund eine Milliarde Tonnen Lebensmittel verschwendet. Ein Fünftel werde weggeworfen, 13 Prozent gehen vor der Ernte bzw. bei der Lieferung verloren und 19 Prozent landen im Abfall. Die Weltregion mit dem höchsten Hungerniveau sei nach wie vor Afrika. Besonders arg sei die Lage zurzeit in der Ukraine, in der Sahelzone in Afrika, in Afghanistan, im Jemen, in Äthiopien, Syrien und Haiti.

„Manche machen große Geschäfte“

Zur Feststellung aus dem Publikum, dass der Hunger auf der Welt bzw. die Hilfen, wie sie das Welternährungsprogramm anbietet, für manche zu einem „Geschäftsmodell“ geworden seien, meinte der ehemalige UN-Funktionär, „dass das leider so ist.“ Führe man sich vor Augen, dass das „World Food Programme“ (WFP) mit seinem Jahresbudget in Höhe von ca. 24 Milliarden Euro, bereitgestellt von den Geberstaaten, pro Jahr ca. 2 Milliarden Tonnen Getreide, Bohnen, Öl und andere Lebensmittel auf dem Weltmarkt einkauft und dann in Krisengebieten verteilt, könne man sich vorstellen, um wie viel Geld es hier gehe. Auch innerhalb des 1961 gegründeten Welternährungsprogramms, das seinen Hauptsitz in Rom hat und bei dem rund 20.000 Personen arbeiten, bräuchte es Änderungen und Verbesserungen. Laut Volker gelte es nicht nur besser darauf zu achten, dass in den Einsatzgebieten nichts „verloren geht“, sondern auch zu schauen, wo und bei wem sich die Organisation die Lebensmittel beschafft und ob diese zu den richtigen Orten und Menschen kommen. Es seien nicht nur mehr Kontrollen gefragt, sondern auch neue Ansätze, damit Hilfslieferungen nicht zur selbstverständlichen Routine werden und in „Geschäftemachereien“ ausarten.

„Wir alle können etwas tun“

Als unlängst in einem Krisengebiet auf das 25-jährige Bestehen von WFP-Hilfslieferungen angestoßen wurde, war das für Hanspeter Vikoler kein Grund zum Feiern: „Feiern kann man, wenn es das Welternährungsprogramm nicht mehr braucht.“ Trotz der vielen düsteren Feststellungen und alles eher als positiven Zukunftsaussichten rief Richard Theiner dazu auf, das Kind nicht mit dem Bad auszuschütten: „Jetzt nichts mehr tun wäre falsch.“ Etwas tun könne jede und jeder von uns, auch im Kleinen. Konkret nannte Theiner z.B. den Kauf fair gehandelter Produkte. Auch Hanspeter Vikoler – er ist übrigens Obmann des Weltladens Klausen – sieht im Kauf von Fairtrade-Produkten eine der Möglichkeiten, mit denen der Hunger bekämpft werden kann, denn die Erzeuger dieser Produkte sind zumeist Kleinbauern und erhalten für ihre Produkte einen Mindestpreis. Vikoler referierte auch über die Flüchtlingskrise. Ende 2023 waren weltweit rund 120 Millionen Menschen auf der Flucht. Die Gebiete, aus denen die Menschen fliehen, decken sich vielfach mit Kriegs- und Konfliktregionen, aber auch die Folgen des Klimawandels zwingen immer mehr Menschen dazu, ihre Heimat zu verlassen.

Josef Laner

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