Die Vinschger sind gegen den Ausbau der Staatsstraße
Publiziert in 1 / 2006 - Erschienen am 11. Januar 2006
Ein erstes Ergebnis der Verkehrsbefragung im Vinschgau stellte Universitätsprofessor und Verkehrs-Fachmann Hermann Knoflacher (im Bild) der Presse am 22. Dezember 2005 im Haus der Bezirksgemeinschaft vor. Die Befragung war am 7. und 8. Juni 2005 durchgeführt worden. Das wohl wichtigste Ergebnis dabei ist, dass sich 84 Prozent der Vinschger gegen den Ausbau der Staatsstraße im Tal zu einer Schnellstraße ausgesprochen haben. Knoflacher war überrascht, dass so viele Personen den Fragebogen ausgefüllt und abgegeben haben. Dies habe die Auswertung um einige Zeit verzögert und demnach auch die Vorstellung der Studie. „Eine klare Linie ist feststellbar“, betonte Knoflacher.
Die Gemeindeverwaltungen, die Bürgerinitiativen und die Bevölkerung verfolgen ein gemeinsames Ziel: massive Verbesserungen für die Bahn und für den Bus, für den Radverkehr und für den Fußgänger, d.h. das Auto rückt in den Hintergrund. Nun müssen alle daran arbeiten, diese Schritte umzusetzen. „Das wird sicherlich nicht leicht sein, weil viele daran beteiligt sind“, ergänzte Knoflacher. Nun muss mit den einzelnen Vereinigungen und Verbänden des Tales Kontakt aufgenommen werden, dann mit der Landesverwaltung und mit der Straßenmeisterei.
Hausgemachter Verkehr
Was sich bei der ersten Auswertung auch als bedeutend erwiesen hat, ist die Tatsache, dass der zunehmende Verkehr hausgemacht ist, es handelt sich vorwiegend um einheimische Fahrer und nicht um Gäste. Um überhaupt eine bürgernahe Verkehrsplanung und Regionalpolitik machen zu können, war die Mitarbeit der Bevölkerung mit der Haushaltsbefragung notwendig. 69 Prozent der Haushalte und 66 Prozent der Personen haben den Fragebogen im Sommer ausgefüllt und abgegeben. Knoflacher spricht allen ein herzliches Dankeschön aus, da die Rücksendequote weitaus die Erwartungen übertroffen habe.
Der Großteil der Befragten hat etwa den Arbeitsplatz in einer Vinschgauer Gemeinde (87 Prozent). Dies sei eine überaus hohe Anzahl und gar nicht selbstverständlich. Was hingegen zu denken gebe ist, dass die Entfernung zu einer Haltestelle eines öffentlichen Verkehrsmittels im Durchschnitt bei 515 Metern liege, eindeutig zu weit. Genauso sei der Weg zum eigenen PKW viel kürzer als zu einem öffentlichen Verkehrsmittel. Da habe der öffentliche Verkehr gegenüber dem Auto keine Chance, sagt Knoflacher.
Handlungsbedarf
Weiters bedeutend ist, dass sich die Bevölkerung in folgenden Orten bzw. Gemeinden stark durch Verkehrslärm belästigt fühlt. Demnach sei in diesen Gemeinden Handlungsbedarf dringend erforderlich, und zwar in Schluderns, Kastelbell-Tschars, Graun und Tartsch (Mals).
Weitere Ausswertungen:
• Förderung der wirtschaftlichen Aktivitäten im Ort
• Weniger Lärm und Abgase durch Verkehr
• Weniger Transitverkehr von PKW und LKW
• Schonung von Umwelt und Landschaft
• Sichere Schul- und Fußwege
• Mehr Verkehrssicherheit
• 84 Prozent sprechen sich gegen den Ausbau der Staatsstraße zu einer Schnellstraße aus
• 66 Prozent sprechen sich gegen den Ausbau Forst-Töll
• 72 Prozent sprechen sich gegen den Ausbau der Staatsstraße Reschenpass-Mals aus
• 67 Prozent sprechen sich gegen den Neubau der Staatsstraße Mals-Spondinig aus
• 84 Prozent sprechen sich gegen den Ausbau der Alm- und Forststraßen aus
• 89 Prozent sind für den Ausbau der Bahn in die Schweiz
• 96 Prozent (!) sind für eine durchgehende Bus- oder Bahnverbindung nach Landeck
• 79 Prozent sind für den Nachtfahrverbot der LKW
• 84 Prozent sind für die durchgehende Bahnverbindung Mals-Bozen
• 96 Prozent (!) sind für Verkehrsberuhigung in den Ortschaften
• 60 Prozent sind für Umfahrungen zur Entlastung der Ortszentren
Professor Knoflacher unterstrich zudem, dass der Vinschgau ein Bezirk mit viel Stärke sei. Diese Kräfte gelte es nun zu bündeln, um gemeinsam arbeiten zu können und um die Ideen langsamin die Tat umsetzen zu können. Da die Umweltschutzgruppe Vinschgau kurz vor der Vorstellung der ersten Ergebnisse eine Presseaussendung veröffentlicht hat (siehe Seite 11) hat „Der Vinschger“ Knoflacher gefragt, was er denn der Umweltschutzgruppe erwidere: „Mitarbeiten!“ Es nütze nichts, dagegen zu arbeiten, denn jede Kraft und jede Idee sei notwendig.
„Wir wollen arbeiten, werden aber nicht informiert“
„Der Vinschger“ hat nach der Bekanntgabe der ersten Ergebnisse mit dem Vorsitzenden der Umweltschutzgruppe Vinschgau, Peter Gasser, ein Gespräch geführt.
„Der Vinschger“: Herr Gasser, Professor Knoflacher ruft die Umweltschutzgruppe Vinschgau zur Mitarbeit auf.
Gasser: Selbstverständlich. Wir wollten immer schon aktiv mitarbeiten. Das sollte uns ermöglicht werden.
„Der Vinschger“: Ist das nicht der Fall?
Gasser: Dies kann nicht der Fall sein, wenn wir nicht laufend informiert werden. Bis jetzt wurden wir enttäuscht.
„Der Vinschger“: Warum?
Gasser: Weil wir nicht eingebunden worden sind, in keinster Weise.
„Der Vinschger“: Wie bewerten Sie die ersten Ergebnisse der Verkehrsstudie?
Gasser: Es ist erfreulich, wenn eine klare Richtung vorgegeben wird. Wir lassen uns überraschen und hoffen, nun aktiver eingebunden zu werden.
Daniela di Pilla