Leiten zwischen Eyrs und Laas heute

Die Schwarzföhre

Publiziert in 10 / 2004 - Erschienen am 20. Mai 2004
Wie konnte sich eine fremdländische Baumart sich im Vinschgau ansiedeln? Manchem sind die dunklen Waldbestände auf den Vinschger Leiten ein Dorn im Auge. Anderen wiederum sind sie Garant gegen Muren und Lahnen, die in der Vergangenheit immer wieder vom Sonnenberg herunter Haus und Hof bedrohten. Viele Vinschger aber blicken mit Stolz auf ihr Werk, haben sie doch in den Fünfzigerjahren bei der Aufforstung die erste Lira verdient. In jüngster Vergangenheit tummeln sich Abermillionen von Prozessionsspinnern im Geäst der Schwarzföhren und machen ihnen schwer zu schaffen. Die Forstbehörde sieht sich gezwungen, die Plage von der Luft aus zu bekämpfen. Einerseits zum Schutz der Bäume, andererseits zum Schutz der Menschen, da die Raupen Allergien auslösende Härchen absondern. Heute wachsen zwischen Mals und Naturns auf 940 Hektar Schwarzföhren. Flächenmäßig ist dies nicht viel, ästhetisch-optisch aber sind diese Bestände für das Tal landschaftsprägend. Die ältesten aufgeforsteten Bäume zählen 140, die jüngsten 40 Jahre. Natürlicherweise kommt die Schwarz-föhre im Vinschgau und auch in Südtirol nicht vor. Ihre Heimat liegt rund ums Mittelmeer in Süditalien, Spanien, Algerien, Türkei und auf der Balkanhalbinsel. Von dort strahlt das Verbreitungsgebiet nach Norden aus, wo im Wiener Becken Europas nördlichste, natürliche Schwarzföhrenwälder wachsen. Bereits um 1751 war es den Gemeindevätern von Vetzan klar, dass die Leiten nicht bis auf die Bodenkrume abgeweidet werden dürfen. Die Gemainsordnung von damals untersagte das „Abhacken von Kranebittstauden ob dem Dorf, damit der Lahnstrich abgewendet werden könne“ (Zitat Richard Staffler 1927). Intensive Weidenutzung zerstörte an vielen Stellen die Grasnabe, wo dann bei starken Gewittern Erosion leicht ansetzen konnte. Dass diesem Übel mit der Pflanzung eines Waldes begegnet werden könne, hat wohl als erster Dr. Heinrich Vögele (1806-1862) aus Schlanders erkannt. Als bekannter und geschätzter Arzt packte er die Krankheit an der Wurzel und ließ das „Doktor Waldele“ oberhalb von Schlanders pflanzen. Hierbei kam die Schwarzföhre vielleicht das erste Mal zum Einsatz. Einen Nachahmer fand Dr. Vögele in Dr. Heinrich Flora (1830-1902) aus Mals. Auch er war Arzt und als solcher diagnostizierte er dem Sonnenberg einen Krebsschaden, der auf seine Initiative hin ab 1865 durch Bepflanzung therapiert wurde. Im Herbst desselben Jahres kamen „aus einer Pflanzschule bezogene Schwarzföhrensetzlinge“ zum Einsatz (Zitat H. Flora 1879). Dies kann wohl als der offizielle Einzug der Schwarzföhre in den Vinschgau bezeichnet werden. Dr. Heinrich Flora forstete zwischen 1865 und 1879 rund 30 Hektar Mischwald oberhalb von Mals auf. 1882 war ein schlimmes Unwetterjahr für ganz Tirol und besonders für den Vinschgau. Von überall stürzten Muren ins Tal und verschotterten ganze Dörfer, zerstörten Straßen und Mit Beginn des 20. Jahrhunderts ging die Aufforstungstätigkeit zurück. Brücken und verschütteten großflächig die schönsten Güter. Im ganzen Vinschgau sah es trostlos aus (Zitat aus Plank 1995). Als Konsequenz wurde im Jahr 1884 das Amt für Wildbach- und Lawinenverbauung gegründet, welches in den darauffolgenden Jahren begann, viele der so genannten „Leiten- oder Bannwaldelen“ zu begrünen. Und wiederum kam dabei die Schwarzföhre erfolgreich zum Einsatz. 1911 wurde vom selben Amt nochmals ein großangelegtes Aufforstungsprojekt lanciert, das durch den Widerstand der Bevölkerung und durch den Ausbruch des großen Krieges im Sand verlief. Die italienischen Behörden gingen in den Zwanziger- und Dreißigerjahren nur zaghaft ans Werk, der Aufforstungsgedanke schlief ein. Es traf dann Dr. Franz Deutsch aus Neumarkt, der mit großem Einsatz Geldmittel vom Regionalrat erhielt, um die Aufforstung am Sonnenberg wieder aufzunehmen. Das damals mit 400 Millionen Lire (dies entspricht 5 Mio. Euro von heute) veranschlagte Projekt war eine gezielte und wichtige wirtschaftliche Investition ins verarmte Tal. Viele Menschen fanden eine Beschäftigung und Geld kam in den Umlauf. Auch dieses Mal wurde hauptsächlich Schwarzföhre verwendet. Andere Baumarten wie Lärche, Rotföhre oder Laubbäume wurden ebenso gepflanzt, konnten sich aber nicht so richtig durchsetzen. Die im Vinschgau ursprünglich nicht heimische Schwarzföhre hat sich als geeignet erwiesen, die trockenen Leitenböden zu besiedeln. Im Schutze ihres Kronendaches aber kommt immer häufiger die heimische Flaumeiche auf, die durch eigene Kraft etwas später oder - mit Unterstützung der Forstbehörde - etwas früher die Schwarzföhre ablösen wird. Hanspeter Staffler Literatur: Flora, H., 1879: Wiederauffors-tung im Vintschgau. In: Mitteilungen des Deutschen und Österreichischen Alpenver-eins. Redigiert von Th. Trautwein. Band V. Verlag des Vereins. München. Plank, J., 1995: Chronik der Wildbachschäden in Österreich bis zum Jahre 1891 und umfassende Dokumentation anhand von zwei Beispielen (Enter-bach/Inzing, Niedernsiller Mühl-bach). Diplomarbeit am Institut für Wildbach- und Lawinenschutz. Universität für Bodenkultur Wien. Staffler, R., 1927: Die Hofnamen im Landgericht Schlanders (Vinschgau). Universitätsverlag Wagner, Seite 105. Schlernschriften 13. Innsbruck. Gestaltung: Hans und Ulrich Wielander

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