Die Finailgrube: neben der Salzhütte deutlich erkennbar der Steinkreis mit mehreren Schalensteinen. Neben den Bernsteinperlen wurden auch Knochen gefunden, die derzeit untersucht werden und die Hinweise auf Aktivitäten an der Fundstelle geben könnten. (Aufnahme Putzer)

Wenn Ötzi kein Hirte war, was oder wer war er dann?

Publiziert in 35 / 2010 - Erschienen am 6. Oktober 2010
Unser Frau in Schnals – Die dritte Veranstaltung des erstmals durchgeführten Bildungsherbstes „Kulturlarch“ hatte es in sich. Der Versammlungsraum des ArcheoParc war fast zu eng für die Zuhörer darunter Gebietsinspektor des Amtes für Bodendenkmäler, Hubert Steiner, und die Vorsitzenden des Kultur- und des Museumsvereines. Man lauschte gebannt zuerst den überraschende Einsichten von Klaus Öggl vom Institut für Botanik der Universität Innsbruck und dann den nicht minder überraschenden Fundberichten des Archäologen Andreas Putzer. Der Archäobotaniker Öggl hatte es gewagt zu fragen: „War Ötzi wirklich ein Hirte?“, der Archäologe Putzer sollte für die allgemein übliche Annahme den archäologischen Beweis ergraben. Für eine Karriere als wohlhabender Schafzüchter sprächen sowohl der Grasumhang des Mannes aus dem Eis, als auch die Pollenanalysen im Umfeld der Fundstelle, legte Klaus Öggl los, aber die als „Weideanzeiger“ geltenden Pollen seien „klimasensitiv“ und könnten nicht als Beweise für eine Almweidewirtschaft mit „Transhumanz“ (Wechsel von Winter- und Sommerweide) zu Lebzeiten des Ötzi herangezogen werden. Staunend konnten die Zuhörer mitverfolgen, wie Professor Öggl aus den Hölzern der verschiedenen Ausrüstungsgegenstände, aus dem Magen-Darm-Inhalt und über die Strontium-Isotope im Zahnschmelz der Gletschermumie nachweisen konnte, dass Ötzi seine Jugend im Brixner Raum verbracht und als Erwachsener wahrscheinlich in der zeitgleichen Siedlung am Latscher Sonnenberg gelebt hatte. Aufgrund der Verdauungsgeschwindigkeit und der Analysen der „Hintergrundpollen“ gelang es Öggl schließlich, nicht nur die Mahlzeiten aus Einkorn, Hirsch- und Steinbockfleisch festzustellen, sondern auch die in den zwei Tagen vor seinem Tod durch Verbluten auf dem Tisenjoch zurückgelegten Strecken zu rekonstruieren. Dem Archäologen Andreas Putzer war es dann vorbehalten, die Zweifel an Ötzi als Hirten noch zu verstärken. Seine Grabungsversuche und die seiner Helfer in verschiedenen Seitentälern des Schnalstales genauer im Lazaun-, Lagaun-, Penaud- und Finail-Tal hätten zwar Spuren für ungewöhnlich intensive Frequenzen im Hochgebirge seit dem 7. Jahrtausend vor Christi enthüllt, aber eine systematische Hochalmbeweidung war nicht zu beweisen. Dennoch wartete Putzer mit überraschenden, ja faszinierenden Ergebnissen auf. „Der Fund von 35 Bernsteinperlen in der ‚Finailgrube‘ auf 2.400 Metern Höhe scheint eine alte Theorie zu beweisen, nach der die Bernsteinstraße vom Baltikum durch den Vinschgau nach Italien und Griechenland verlief“, erklärte der Archäologe sinngemäß. Der Fund sei in des 13. bis 11. Jahrhundert vor Christi Geburt zu datieren, also in die späte Bronzezeit. Der Mann aus dem Eis habe 2.000 Jahre früher gelebt.
Günther Schöpf
Günther Schöpf

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